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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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vergeblich auf Antwort gewartet hätten. Die Königin hörte zu, ohne ihn ein einziges Mal zu un terbrechen. Als er mit seiner fürchterlichen Geschichte von Blut und Tod zu Ende war, schien ihm leichter ums Herz geworden zu sein, allein weil er sich alles von der Seele hatte reden können. Für eine geraume Weile herrschte allgemeines Schweigen.
    »Vieles von dem, was Ihr be richtet habt, höre ich jetzt zum ersten Mal«, be merkte Kettricken schließlich. »Und nichts davon ist gut. Ich weiß nicht, was unser König dazu sagen wird; Ihr müsst warten, bis er Euch empfängt und selbst zu Euch spricht. Doch was mich angeht, sollt Ihr wissen, dass das Unglück meines Volkes mich mit Gram erfüllt. Und mit Zorn. Ich versichere Euch, dass, soweit es in mei ner Macht steht, diese Gräuel nicht ungesühnt bleiben werden. Noch werde ich mein Volk schutzlos den Unbilden des Winters ausliefern.«
    Herzog Brawndy von Bearns senkte den Blick auf den Teller und spielte mit dem Saum des Tischtuchs. Als er wieder aufschaute, wa ren sei ne Züge hart, aber sei ne Augen drücken neben Verbitterung auch Bedauern aus. »Worte. Das sind nur Worte, Hoheit. Die Menschen in Holüber werden von Worten nicht satt und finden nachts auch keine Zuflucht darunter.«
    Kettricken hielt seinem Blick stand, und un merklich hob sie das Kinn etwas höher. »Es ist wahr, was Ihr sagt. Doch Worte und guter Wille sind alles, was ich Euch vorläufig anzubieten habe. Sobald es dem König besser geht und er Euch zu sich lässt, werden wir sehen, was für Holüber getan werden kann.«
    Brawndy beugte sich zu ihr, um leiser sprechen zu können. »Ich habe Fragen, Hoheit. Mein Bedürfnis nach Antworten ist fast so groß wie mein Bedürfnis nach Geld und Männern. Weshalb ist unser Hilferuf ungehört verhallt? Weshalb hat das Schiff, das unserem
Schutz die nen sollte, statt uns Beistand zu leisten, Kurs auf den Heimathafen genommen?«
    Ein leichtes Beben in Kettrickens Stimme verriet, wie es in ihr aussah. »Auf die se Fragen habe ich kei ne Antworten, Herzog, so sehr es mich beschämt, dies zugeben zu müssen. Kein Wort von Eurer Bedrängnis ist mir zu Oh ren gekommen, bis Euer jun ger Bote hier eintraf.«
    Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. War es richtig, dass die Königin Brawndy gegenüber mit solcher Offenheit sprach? Unter dem Aspekt politischen Kalküls sicher nicht. Doch Kettricken, das wusste ich, stellte die Wahrheit über politisches Kalkül. Brawndy schaute lange in ihr Gesicht, die Falten um seinen Mund vertieften sich. Halblaut fragte er: »Seid Ihr nicht die Kronprinzessin?«
    Kettricken erwiderte mit schwertgrauen Augen seinen Blick. »Das bin ich. Fragt Ihr mich, ob ich Euch belogen habe?«
    Brawndy schlug beschämt die Augen nieder. »Nein. Nein, Hoheit, der Gedanke ist mir nie gekommen.«
    Das da rauffolgende Schweigen dauerte unbehaglich lange. Ich weiß nicht, ob es auf ein verstohlenes Zeichen Kettrickens hin geschah oder ob es Samtens eigener Instinkt war, der ihn dazu veranlasste, kräftig in die Saiten zu greifen. Er stimmte ein Winterlied an, das mit stürmischen Akkorden und einem schrillen Refrain beeindruckte.
    Erst nach mehr als drei Tagen wurde Brawndy endlich in des Königs Gemächer gerufen. Kettricken bemühte sich weiter, die Gäste zu zerstreuen, doch es ist schwer, einen Mann zu unterhalten, dessen Gedanken um drohende Gefahren für sein Herzogtums kreisen. Er war höflich, aber geistesabwesend. Fidea, seine zweite Tochter, schloss bald Freundschaft mit Mussel und schien ihre Sorgen zu vergessen; Zelerita indes blieb stets an ihres Vaters
Seite, und wann immer ihre tiefblauen Augen den meinen begegneten, erblickte ich den heimlichen Kummer darin. Ihr Blick löste in mir eine Vielfalt unterschiedlicher Gefühle aus. Ich war erleichtert, dass sie kein Gespräch mit mir suchte, gleichzeitig wusste ich, dass ihre kalte Reserviertheit mir gegenüber nur die derzeitige Haltung ihres Vaters gegen Bocksburg und den König widerspiegelte. Während ich ei nerseits begrüßte, dass sie mir die kalte Schulter zeigte, wurmte mich dies andererseits auch, weil ich es meiner Meinung nach nicht verdient hatte. Als endlich der Ruf kam und Brawndy zum König eilte, hoffte ich, die an gespannte Atmosphäre würde sich nun bald in Wohlgefallen auflösen.
    Ich bin sicher, ich war nicht der Einzige, der bemerkte, dass Königin Kettricken von der Beratung ausgeschlossen blieb. Auch ich war nicht dabei, weil ich ebenfalls nicht

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