Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
murmelte sie. »Aber ich liebe dich.« Dann fielen ihr die Augen wieder zu.
Nachtauge!
Ich bin hier. Er war immer da.
Plötzlich konnte ich keine Fragen mehr stellen, wollte ich auch nichts mehr von allem wissen. Ich lag still und fühlte mich elend, traurig und hatte Mitleid mit mir selbst.
Ich habe versucht, dich zu wecken, aber du warst noch nicht wieder stark genug, um zurückzukommen. Dieser Andere hatte dir die Kraft genommen.
Dieser ›Andere‹ ist unser König.
Dein König. Wölfe haben keine Könige.
Was hat … Ich ließ den Gedanken unvollendet. Danke, dass du über mich gewacht hast.
Er spürte meinen Vorbehalt. Was hätte ich tun sollen? Sie wegschicken? Sie war traurig.
Ich weiß nicht. Sprechen wir nicht darüber. Molly war traurig, und er hatte sie getröstet. Ich wusste nicht einmal, aus welchem Grund sie traurig war. Oder gewesen war, berichtigte ich mich, als ich das selige Lächeln auf ihrem schlafenden Gesicht bemerkte. Ich seufzte.
Warum das Unvermeidliche hinausschieben. Außerdem musste ich sie in ihr eigenes Zimmer zurückschicken. Sie durfte nicht mehr hier sein, wenn die Burg zum Leben erwachte.
»Molly?«
Sie regte sich und schlug die Augen auf. »Fitz?«
»Es tut mir leid, aber ich muss dich wegschicken?«
»Ich weiß. Ich hätte gar nicht kommen dürfen.« Sie stockte. »Was ich vor ein paar Tagen zu dir gesagt habe …«
Ich legte ihr ei nen Finger auf die Lippen. Sie lächelte da ran vorbei. »Du machst dieses neue Schweigen … äußerst lohnend.« Sie schob mei ne Hand zur Seite und küsste mich lie bevoll, dann schlüpfte sie aus dem Bett und kleidete sich rasch an. Ich erhob mich langsamer. Sie schaute mich an, ihr Blick war liebevoll. »Ich gehe allein, es ist si cherer. Man sollte uns nicht zusammen sehen.«
»Eines Tages …«, begann ich. Diesmal war sie es, die mir den Finger auf den Mund legte.
»Davon wollen wir jetzt nicht reden. Lassen wir die heutige Nacht, wie sie ist. Vollkommen.« Sie gab mir noch ei nen raschen Kuss, glitt aus meinen Armen und dann aus der Tür. Vollkommen?
Ich kleidete mich fertig an und schürte das Feuer. In meinem Sessel beim Kamin wartete ich, musste aber nicht lange warten. Die Tür zu Chades Reich öffnete sich. Obwohl ich mich immer noch schwach fühlte, beeilte ich mich auf der Treppe, und oben angekommen, verschwendete ich keine Zeit mit ei ner Begrüßung. »Du musst mir zuhören«, sagte ich atemlos.
Chade saß wie ich eben zuvor am brennenden Kamin und hob bei dem drängenden Ton in meiner Stimme die Augenbrauen. Er wies auf den zweiten Stuhl ihm gegenüber. Ich setzte mich und öffnete den Mund, um weiterzusprechen. Was Chade dann tat, jagte mir eine Gänsehaut über den Körper. Er schaute sich nach allen Seiten um, als befänden wir uns in mitten einer großen Menschenmenge,
danach legte er den Finger an die Lippen und beugte sich vor, bis unsere Köpfe sich fast berührten. »Leise, leise. Was gibt es?«
Das war etwas, womit ich nie und nim mer gerechnet hätte. Von allen Räumen, Ecken und Winkeln in Bocksburg hätte ich niemals geglaubt, ausgerechnet hier Lauscher befürchten zu müssen.
»Nun?« Chade sah mich fragend an.
Ich erzählte ihm alles und ließ dabei nichts aus. Auch mei ne Verbindung mit Veritas gab ich preis, da mit die Geschichte verständlich wurde. Ich erzählte von dem Überfall auf den Narren, von Kettrickens Geschenk an Bearns, dass ich dem König als Mittler gedient hatte, von Serene und Justin in mei nem Zimmer. Als ich von Edels Spionen berichtete, spitzte er die Lippen, wirkte aber nicht sonderlich überrascht.
»Und was schließt du daraus?«, fragte er schließlich, als ginge es um eine Denkaufgabe, die er mir zu lösen aufgegeben hatte.
»Darf ich offen sagen, was ich vermute?«
Er nickte.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Chade würde wissen, was zu tun war. Kurz, ohne vie le Worte zu machen, legte ich die ein zelnen Punkte dar. Edel wusste, dass sein Vater, der König, an einer tödlichen Krankheit litt. Wallace, sein Handlanger, hielt ihn in einem Dämmerzustand, so dass er für Edels Einflüsterungen empfänglich war. Edel unternahm alle Anstrengungen, Veritas als unfähig hinzustellen und aus Bocksburg so viel Geld und Gut herauszuholen wie nur möglich. Bearns wollte er den Roten Korsaren ausliefern, damit sie beschäftigt waren. Währendessen wollte er die Verwirrung nutzen, um seine Pläne in die Tat umzusetzen und Kettricken als ›die Fremde‹ hinzustellen, die als
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