Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Herz ist bereits vergeben. Und die Kluft zwischen der Dienstmagd und dem Sohn eines Prinzen ist zu groß, als dass irgendeine Liebe sie überbrücken könnte. Ich weiß, dass du mich liebst. Aber deine Liebe ist - anders als meine. Ich wünschte mir, dass wir unser Leben teilen könnten. Doch du möchtest mich in einer Schachtel aufheben, getrennt von dei nem Leben. Ich will nicht je mand sein, auf den du dich besinnst, wenn du an nichts Wichtigeres mehr zu denken hast. Ich weiß nicht einmal, was du tust, wenn du nicht bei mir bist. So wenig gibst du mir von dir preis.«
»Es würde dir nicht gefallen«, sagte ich beschwörend. »Du willst es eigentlich auch gar nicht wissen.«
»Hör auf da mit«, fauchte sie wü tend. »Begreifst du nicht, wie unerträglich es ist, dass du nicht einmal eine solche Entscheidung mir selber überlässt? Du kannst nicht für mich entscheiden. Dazu hast du nicht das Recht! Wenn du davon nicht einmal mir gegenüber sprechen kannst, wie soll ich dann glauben, dass du mich liebst?«
»Ich töte Menschen«, hörte ich mich sagen. »Für meinen König. Ich bin ein Meuchelmörder, Molly.«
»Ich glaube dir nicht!« Der Ton ihrer Stimme schwankte zwischen Grauen und Verachtung. Tief drinnen wusste sie, dass ich ihr endlich die Wahrheit gesagt hatte. Ein kaltes Schweigen schob sich wie ein Glet scher zwischen uns, als sie da rauf wartete, dass ich eine Lüge zugab. Damit hätte ich allerdings eine wirk liche Lüge ausgesprochen. Zu guter Letzt leugnete sie die Tatsache für mich.
»Du, ein Mörder? Du hast es damals nicht einmal fertiggebracht,
an den Wachen vorbeizulaufen, um zu sehen, was mir zugestoßen war! Du hat test nicht den Mut, dich mei netwegen mit ihnen anzulegen! Und nun soll ich glauben, dass du für den König Menschen tötest?« Sie stieß ei nen erstickten Laut aus, der halb empört klang und halb den Tränen nahe war. »Wes halb sagst du jetzt so etwas? Weshalb ausgerechnet jetzt? Um mich zu beeindrucken?«
»Wenn ich geglaubt hätte, dass es dich beeindruckt, hätte ich es dir schon vor langer Zeit gesagt«, antwortete ich müde. Auch das war die Wahrheit. Was mir so lange den Mund verschlossen hatte, war zu einem guten Teil die Angst gewesen, ich könnte Molly verlieren, wenn ich ihr von den dunk len Seiten meines Lebens erzählte. Und ich hatte Recht damit behalten.
»Lügen«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu mir. »Lügen, alles Lügen. Von Anfang an. Ich bin so dumm gewesen. Wenn ein Mann dich ein mal schlägt, wird er dich auch wie der schlagen, heißt es. Und dasselbe gilt für Lügen. Aber ich bin geblieben und habe mir alles angehört und habe es geglaubt. Was für eine Närrin ich gewesen bin!« Diese letzten Worte stieß sie mit einer solchen Wildheit hervor, dass ich wie von einem Schlag getroffen zusammenzuckte. Sie trat einen Schritt zurück. »Ich danke dir, FitzChivalric«, sagte sie kalt und förmlich. »Du hast es mir sehr leicht gemacht.« Sie wandte sich ab.
»Molly«, flehte ich. Ich wollte nach ih rem Arm grei fen, aber sie fuhr herum und hob die Hand.
»Fass mich nicht an!«, zischte sie. »Wage es nicht, mich jemals wieder anzufassen!«
Sie ging.
Nach einer Weile kam mir zu Bewusstsein, dass ich im mer noch im Finstern unter der Treppe zu Burrichs Kammer stand. Ich verharrte dort zitternd vor Kälte und mit dem Gefühl eines unwiederbringlichen
Verlustes. Auf meinen bebenden Lippen lag ein Ausdruck zwischen einem Lächeln und einem Zähnefletschen. Immer hatte ich mich davor gefürchtet, meine Lügen könnten einmal daran schuld sein, dass ich Molly verlor, aber die Wahrheit hatte in einem einzigen Augenblick durchtrennt, was von meinen Lügen ein Jahr lang mühselig zusammengehalten worden war. Was hatte ich daraus zu lernen? Mit schleppenden Schritten ging ich die Treppe hinauf und klopfte an die Tür.
»Wer ist da?« Burrichs Stimme.
»Ich.« Er rie gelte die Tür auf. Ich trat ins Zim mer und fragte ihn statt einer Begrüßung: »Was hat Molly hier gewollt?« Zum Henker damit, wie es sich anhörte; zum Henker damit, dass der Narr noch an Burrichs Tisch saß. »Brauchte sie Hilfe?«
Burrich räusperte sich. »Sie kam wegen Kräutern«, sagte er dann unbehaglich. »Ich konnte ihr nicht da mit dienen. Ich hatte nicht, was sie brauchte. Dann kam der Narr, und sie ist geblieben, um mir mit ihm zu helfen.«
»Philia und Lacey haben Kräuter. Alle Kräuter, die man sich nur wünschen kann.«
»Das habe ich ihr auch gesagt.« Er
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