Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
wäre, und die Provinz würde ihr darin folgen.« Sein Blick war fest. »Wir haben lange darüber beraten. Veritas’ Kind hätte mit Euch als Regent eine größere Chance, den Thron zu besteigen, als wenn wir Edel gewähren ließen.«
Aha. Sie hatten Listenreich bereits abgeschrieben. »Wes halb nicht Kettricken Gefolgschaft schwören?«, fragte ich.
Er schaute in die Flammen. »Es mag ungerecht erscheinen, nachdem sie sich als so groß herzig erwiesen hat, doch sie stammt aus einem fremden Land und ist in mancher Hinsicht unerprobt. Nicht, dass wir an ihr zwei feln, dazu achten wir sie zu sehr. Auch würden wir sie nicht in ih rer Macht beschneiden. Sie ist Königin und soll es bleiben und ihr Kind soll nach ihr die Krone tragen. Aber in diesen Zeiten brauchen wir bei de, den Thron folger und die Königin.«
Ein Dämon regte sich in mir und drängte mich zu fragen: »Und was, wenn das Kind mündig wird, und ich will den Thron nicht räumen?« Sie mussten sich diese Frage auch gestellt und sich geeinigt haben, was sie mir darauf antworten würden. Ich nahm mir noch einen Augenblick Bedenkzeit. Fast glaubte ich, den Strudel der Möglichkeiten zu spüren, die mich hier umströmten. War dies, wovon der Narr ständig faselte, war dies einer seiner nebelverhangenen Kreuzwege, in deren Mitte er stets mich sah? »Catalyst«, sagte ich leise zu mir.
»Wie bitte?« Brawndy beugte sich weiter vor.
»Chivalric«, verbesserte ich mich rasch. »Wie Ihr schon gesagt
habt, ich trage seinen Namen. Beinahe. Herzog Brawndy, Ihr tragt in schwerer Zeit die Verantwortung für Euer Volk. Ich weiß, was Ihr riskiert, wenn Ihr so offen mit mir sprecht, und ich will es Euch mit gleicher Offenheit vergelten. Ich bin ein Mann mit Ambitionen, aber ich strebe nicht nach der Krone meines Königs.« Ich schaute ins Feuer. Zum ersten Mal kam mir deutlich zu Bewusstsein, was es für Bearns und Rip pon und Shoaks bedeutete, wenn sowohl Listenreich als auch Kettricken plötzlich auf geheimnisvolle Weise verschwanden. Die Küstenprovinzen würden zu einem ruderlosen Schiff auf stürmischer See. Brawndy hatte so gut wie ausgesprochen, dass sie keinesfalls bereit waren, Edel zu folgen. Aber was für eine Alternative hatte ich ihnen zu bieten? Ihnen ins Ohr zu flüstern, dass Veritas lebte, verpflichtete sie förmlich dazu, sich morgen zu erheben und Edels Recht in Frage zu stellen, sich selbst zum Thronfolger zu ernennen. Sie auf Listenreichs und Kettrickens Verschwinden vorzubereiten, das bedeutete für sie keinerlei Hilfe und hatte lediglich zur Folge, dass zu vie le Leute nicht überrascht waren, wenn es passierte. Befanden beide sich erst in der Sicherheit der Berge, ja dann war es vielleicht sogar geraten, die Küstenprovinzen ins Vertrauen zu ziehen, aber bis dahin vergingen möglicherweise noch Wochen. Ich versuchte zu überlegen, was ich ihnen jetzt anbieten konnte, welche Sicherheiten, welche Hoffnungen.
»Was immer es wert sein mag, ich stehe als Mann auf Eurer Seite.« Während ich sprach, fragte ich mich, ob dies schon als Hochverrat anzusehen war. »König Listenreich habe ich den Va salleneid geleistet, Königin Kettricken und dem Erben, den sie unter ihrem Herzen trägt, bin ich treu ergeben. Wir gehen dunklen Zeiten entgegen, und die Küstenprovinzen müssen sich vereint gegen die Korsaren zur Wehr setzen. Wir haben keine Muße, uns Gedanken darüber zu machen, was Prinz Edel in den inneren Provinzen tut.
Soll er nach Fierant gehen. Unser Leben ist hier, und hier müssen wir den Feinden standhalten und kämpfen.«
Ich spürte, wie mei ne eigenen Worte einen Umschwung in mir bewirkten. Vergleichbar ei nem Insekt, das aus sei nem Kokon hervorkriecht, fühlte ich mich selbst eine neue Gestalt annehmen. Edel ließ mich also hier in Gefahr und Mangel in Bocksburg zurück, zusammen mit de nen, die ich lieb te. Nun gut, sollte er. Wenn ich den König und Königin Kettricken in den Bergen in Si cherheit wusste, fürchtete ich Edel nicht mehr. Molly war fort und für mich verloren. Was hatte Bur rich ein mal zu mir ge sagt? »Dass du eine Frau nicht siehst, bedeutet nicht, dass sie dich nicht sieht.« Außerdem wollte ich Molly zeigen, dass ich fähig war zu handeln, dass ein Mann, der aufstand, um sich zu wehren, doch etwas zu bewirken vermochte. Philia und Lacey waren in meiner Obhut sicherer, als wenn sie in Fierant Edel ausgeliefert waren. Mei ne Gedanken überschlugen sich. Konnte ich mir Bocksburg nehmen und es halten, bis Ve ritas
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