Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
wäre, um ihm das Leben auszuhauchen. Der Mann ist verrückt! Und Edel beschuldigt dich der unreinen Magie, dass du die Seele eines Tieres hättest! Damit sollst du es bewerkstelligt haben, den König zu töten und …«
»Hoheit, Ihr müsst jetzt gehen, oder ich habe keine andere Wahl, als Euch mit Gewalt hinausschaffen zu lassen.«
»Dann tu das«, zischte Philia ihn an, »worauf wartest du. Lacey, dieser Mann be lästigt mich. Ah! Du wagst es, Hand an mich zu legen! An mich, die ich Chivalrics Kronprinzessin gewesen bin! Gut,
Lacey, aber tu ihm nicht weh, er ist nur ein Junge. Ungezogen, aber trotzdem noch ein Junge.«
»Lady Philia, ich bitte Euch …«
»Du kannst mich nicht von hier wegschleppen, ohne dei nen Posten zu verlassen. Glaubst du, ich bin so dumm, dass ich das nicht begreife? Was willst du tun? Mit dei nem Schwert auf zwei alte Frauen losgehen?«
»Chester, Chester, wo steckst du?«, brüllte der Wachhabende vom Dienst. »Verflucht, Chester!« Man hörte seiner Stimme die ratlose Gereiztheit an, als er nach sei nem Kameraden rief, der sich offenbar eine Pause gönnte. Wahrscheinlich saß er oben in der Wachstube neben der Küche, bei einem kühlem Bier und herzhaftem Eintopf. Mir wurde schwarz vor Augen.
»Chester?« Die Stimme des Mannes entfernte sich. Er war tatsächlich so töricht, Philia stehenzulassen und auf die Suche nach dem verschwundenen Chester zu gehen. Schon hörte ich ihren leichten Schritt vor meiner Tür, fühlte die Berührung ihrer Finger an meiner Hand, die die Gitterstäbe umfasste. Sie war nicht groß genug, um durch die Öff nung zu schauen, und der Gang zu schmal, um so weit zu rückzutreten, dass ich sie se hen konnte. Aber schon ihre Berührung hieß ich willkommen wie einen Sonnenstrahl.
»Pass auf, ob er zurückkommt, Lacey«, sagte sie zu ihrer treuen Zofe und Freun din. Dann wandte sie sich mir zu. »Wie geht es dir nun wirklich?« Sie sprach leise, niemand sollte hören, was wir redeten.
»Hungrig. Durstig. Es ist kalt. Ich habe Schmerzen.« Ich sah keinen Grund sie anzulügen. »Wie stehen die Dinge in der Burg?«
»Chaos. Unsere Soldaten haben in der großen Halle den Frieden wiederhergestellt, aber dann kam es draußen zu einer Schlägerei zwischen einigen der Binnenländischen, die Edel hergebracht
hat, und den Unsrigen. Königin Kettrickens Garde ist dazwischengegangen, und die Offiziere haben ihre Männer zur Räson gebracht, dennoch herrscht eine angespannte Atmosphäre. Es waren nämlich nicht nur Soldaten in die Handgreiflichkeiten verwickelt. Manch einer von den Gästen hat ein blaues Auge davongetragen oder muss jetzt hinken, aber ernsthaft verletzt worden ist glücklicherweise niemand. Blade hat am meisten abbekommen, heißt es. Er hat versucht, dich gegen die Männer aus Farrow zu verteidigen. Davon blieben ihm ein paar angeknackste Rippen, ein eingerissenes Ohr, und ein Arm ist wohl ausgerenkt, aber Burrich sagt, dass alles halb so schlimm sei. Nun ja, die Fronten sind abgesteckt, und die Herzöge ge hen mit gesträubtem Nackenfell um her und knurren sich dabei gegenseitig an wie Hunde.«
»Burrich?«, fragte ich heiser.
»War gar nicht dabei«, beruhigte sie mich. »Ihm geht es gut. Ich nehme nur einmal an, dass seine schlechte Laune und sein mürrisches Gesicht bei ihm ein Zeichen dafür sind, dass es ihm gutgeht.«
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Burrich. Weshalb war er noch hier? Ich wagte nicht, mich ge nauer zu erkundigen. Ein Wort zu viel, und Philias Neugier war geweckt. »Und Edel?«, fragte ich.
Sie schnaubte. »Man hat den Eindruck, was Edel am meisten ärgert, ist, dass er nun keine Entschuldigung mehr hat, Bocksburg zu verlassen. Vorher konnte er sagen, dass er König Listenreich und die Kronprinzessin vor den Korsaren in Sicherheit bringen will und die Burg nur des halb leerräumt, damit sie in ih rem neuen Domizil die vertrauten Gegenstände um sich haben, aber der Vorwand ist nun hin fällig geworden, und die Küstenherzöge haben verlangt, dass er bleibt und die Burg verteidigt oder dazu wenigstens einen Mann ih rer Wahl als Kom mandanten einsetzt. Er hat seinen Vetter, Lord Vigilant von Farrow, vorgeschlagen, aber damit waren sie nicht einverstanden. Ich glaube, dass nun, da er einen
Geschmack davon bekommt, was es heißt, König zu sein, es ihm nicht so gut gefällt, wie er gedacht hatte.«
»Dann hat er sich selbst zum König gekrönt?« In mei nen Ohren ein Rauschen und Dröhnen. Ich klammerte mich an den
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