Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
an den Wunden festgeklebt. Wer immer mich bewusstlos geschlagen hatte, war so gründlich gewesen, dem ersten Hieb zur Sicherheit noch einige weitere folgen zu lassen. Davon abgesehen, ging es mir ausgezeichnet. Ich wie derholte es in Gedanken und ignorierte das Zittern in meinem linken Bein und Arm. Dann wagte ich es und schlug die Augen auf.
Der Raum, in dem ich mich befand, war klein und hatte kah le Steinwände. In der Ecke stand ein Ei mer. Als Nächstes drehte ich meinen Kopf so weit, dass ich eine Tür mit ei nem kleinen vergitterten Guckfenster sehen konnte. Das war die einzige Lichtquelle, die von einer Fackel irgendwo weiter hinten im Gang genährt war. Oh ja, jetzt wurde mir es klar. Der Kerker. Da meine Neugier befriedigt war, schloss ich die Augen wieder und schlief ein. Warm zusammengerollt lag ich sicher in einer tiefen Mulde, zugedeckt von dem angewehten Schnee. Die Illusion von Sicherheit war das Einzige, was Nachtauge mir vermitteln konnte. So schwach war ich, dass selbst seine Gedanken mich nur noch wie durch ei nen Nebel erreichten. Sicher. Das war seine Botschaft.
Ich erwachte zum zweiten Mal. Dass Zeit vergangen war, erkannte ich an meinem quälenden Durst, sonst hatte sich nichts
verändert. Diesmal gewann ich die Erkenntnis dazu, dass die Bank, auf der ich lag, ebenfalls aus Stein war, und es befand sich nichts zwischen mir und dem kalten harten Untergrund, außer den Kleidern, die ich trug. »He!«, rief ich. »Wache!« Kei ne Antwort. Nach einiger Zeit konnte ich mich nicht mehr erinnern, ob ich be reits gerufen hatte oder ob ich erst die Kräfte dazu sam melte. Noch etwas Zeit verstrich, und ich entschied, dass es die Mühe nicht lohnte. Ich schlief erneut ein oder vielmehr: der Schlaf ergriff wieder Besitz von mir.
Philias empörte Stimme weckte mich. Sie stritt mit jemandem, der keine Lust hatte zu antworten und nicht gewillt zu sein schien, nachzugeben. »Das ist lächerlich! Was fürchtest du, dass ich tun könnte?« Schweigen. »Ich kenne ihn von Kindesbeinen an.« Schweigen. »Er ist verletzt. Was kann es schaden, mich we nigstens einen Blick auf sei ne Wunden werfen zu lassen? Ihr könnt ihn heil ebenso gut aufhängen wie zerschunden, oder?« Wieder Schweigen.
Ich beschloss, dass ich mich lan ge genug geschont hatte. Doch kaum versuchte ich mich zu regen, musste ich feststellen, dass die Liste meiner Blessuren bei weitem nicht vollständig war. Ich entdeckte noch eine Rei he von Beu len und Schram men, die ich mir nicht erklären konnte; wahrscheinlich waren dies Andenken an die Reise von der großen Halle hierher. Das Schlimmste war, dass bei jeder Bewegung der Stoff meiner Kleider an den verkrusteten Wunden scheuerte, aber es ließ sich ertragen. Für einen so kleinen Raum kam mir der Weg vom Bett bis zur Tür unendlich lang vor. Als ich davorstand, stellte ich fest, dass ich gerade groß genug war, um aus dem kleinen Gitterfenster sehen zu können. Dort sah ich aber auf nichts weiter als die gegenüberliegende Mauer des schmalen Gefängnisgangs. Ich umfasste die Gitterstäbe mit der unverletzten linken Hand.
»Philia?« Meine krächzende Stimme erschreckte mich.
»Fitz? O Fitz, geht es dir gut?«
Was für eine Frage! Ich wollte lachen, musste husten und hatte den Geschmack von Blut im Mund. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Es ging mir nicht gut, andererseits war es für Philia gefährlich, sich zu sehr um mich zu küm mern. Selbst in meinem benommenen Zustand war ich mir dessen bewusst. »Ja, es geht mir gut«, sagte ich schließlich.
»Fitz, der König ist tot!«, rief sie mir vom Ende des Gan ges zu. In ihrer Hast, mir alles zu be richten, sprudelten die Worte nur so aus ihr hervor. »Außerdem wird Königin Kettricken vermisst, und Kronprinz Edel sagt, dass du hinter all dem steckst. Es heißt …«
»Lady Philia, Ihr müsst jetzt ge hen«, versuchte der Wärter ihren Redeschwall zu unterbrechen. Sie schenkte ihm keine Beachtung.
»… du hättest vor Trauer über Veritas’ Tod den Verstand verloren und den König getötet und Serene und Justin, und man weiß nicht, was du der Königin angetan hast, und der Narr …«
»Ihr dürft nicht mit dem Gefangenen sprechen, Hoheit!« Die Stimme des Wärters klang schon nachdrücklicher, aber sie hörte einfach nicht auf ihn.
»… ist spurlos verschwunden. Wallace, er sagt, er hätte dich und den Narren über dem Leichnam des Königs streiten sehen, und dann erblickte er den Narbenmann, der ge kommen
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