Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
runzelte die Stirn über das schöne Wetter und den leichten Wind, der die Wellen nur spielerisch mit weißem Schaumkronen bedachte. Die Brise hob ihr dichtes Haar, wie ich es auch zu tun pflegte, und streichelte ihr an der weichen Linie von Nacken und Kehle entlang. Ihre Augen wurden plötzlich groß, dann füllten sie sich mit Tränen. »Nein«, sagte sie laut. »Nein. Ich werde nicht mehr an dich denken. Ich will es nicht.« Sie bückte sich, hob die schweren Eimer auf, trat in die Hütte und schloss die Tür ent schieden hinter sich. Der Wind pfiff um die Ecken. Das Dach war schadhaft. Der Wind wehte stärker, und ich ließ mich davontragen.
Ich ergab mich dem Wind, weil ich in der Schwe relosigkeit meine Schmerzen förmlich abschütteln konnte. Es lockte mich, tiefer in ihn hineinzutauchen, wo sein Atem rascher strömte, wo er mich gänzlich hinwegschwemmen konnte, fort von mir selbst und all meinen unwichtigen Sorgen. Ich streckte meine Hände in diesen Sog, die so schnell und stark waren wie ein reißender Fluss. Es zerrte an mir.
Ich würde mich davon fernhalten, wenn ich du wäre.
Wirklich? Ich gab Veritas einen Moment Zeit, sich mit meiner Lage vertraut zu machen.
Vielleicht nicht, schränkte er grimmig ein. Dann kam so etwas wie ein Seufzen von ihm. Ich hätte mir denken können, dass es schlimm sein muss. Wie es scheint, sind nur starke Schmerzen, eine Krankheit oder eine groβe Bedrängnis in der Lage, deine Barrieren so Krankheit oder eine große Bedrängnis in der Lage, deine Barrieren so weit zu schwächen, dass du von der Gabe Gebrauch machen kannst. Er
verstummte. Wir schwiegen beide und dachten an alles und nichts. Mein Vater ist also tot. Justin und Serene. Warum habe ich es nicht geahnt. Mattigkeit und schwindende Kraft, das sind die Symptome von einem, dessen Gabe bewusst zu oft in Anspruch genommen und dadurch maßlos ausgelaugt wurde. Ich nehme an, es hat schon vor Ga lens Tod angefangen. Nur er konnte einen solchen Plan aushecken, erst recht einen Weg finden, ihn in die Tat umzusetzen. Welch eine abscheuliche Art, von der Gabe Gebrauch zu machen. Und sie haben uns belauscht?
Ja. Ich weiß nicht, was sie alles mitgehört haben. Und es gibt noch jemanden, den wir fürchten müssen. Will.
Was für ein Dummkopf ich gewesen bin. Denk nach, Fitz. Es gab viele Gründe, misstrauisch zu werden. Erst hatten unsere Schife Erfolge zu verzeichnen, dann, sobald die Verräter wussten, was wir beide planten, benutzten sie ihre Fähigkeiten, um uns Steine in den Weg zu legen. Der Zirkel der Gabenkundigen ist von Anfang an Edels Werkzeug gewesen. Deshalb wurden Nachrichten zurückgehalten oder gar nicht weitervermittelt. Deshalb kam unsere Hilfe immer zu spät, oder man hat gar vergeblich darauf gewartet. Er ist so voller Hass wie eine Zecke voll mit Blut. Und er hat gesiegt.
Nicht ganz, Hoheit. Ich versagte es mir, an Kettricken zu denken, die sicher bereits auf dem Weg in ihre Bergheimat war, stattdessen wiederholte ich: Da ist immer noch Will. Und Burl. Und Carrod. Wir müssen Vorsicht walten lassen.
Ein Hauch von Wärme. Ich werde deinen Rat befolgen. Aber du kennst die Größe meiner Dankbarkeit. Vielleicht haben wir einen hohen Preis bezahlt, aber was damit erkauft wurde, war es wert. Mir wenigstens.
Mir ebenfalls. Ich spürte seine Müdigkeit und die Resignation.
Gebt Ihr auf?
Noch nicht. Aber wie deine Zukunft sieht auch meine wenig vielversprechend aus. Die anderen sind alle tot oder geflohen. Ich werde meinen
Weg fortsetzen, aber ich weiß nicht, wie lang er noch ist. Oder was mich an seinem Ende erwartet. Und ich bin müde. Auf zugeben wäre so einfach.
Ich wusste, Veritas las mich mit Leichtigkeit, aber ich musste nach ihm hinausgreifen und nach allem, was er mir absichtlich nicht übermittelte. Ich spürte die große Kälte, die ihn umgab, und eine Verletzung, die ihm das Atmen erschwerte. Ich spürte seine Einsamkeit und den Schmerz bei dem Wissen, dass jene, die ihren Tod so weit von zu Hause nur seinetwegen gestorben waren. Hod, dachte ich, und sein Kum mer fand in mir ei nen Widerhall. Charim. Für immer von uns gegangen. Und da war noch etwas anderes, etwas, das er mir nur unvollständig übermitteln konnte. Eine Versuchung, ein Tau meln am Rand des Abgrunds. Ein seltsamer Druck, wie ein Zupfen der Gabe, ähnlich dem, was ich von Justin und Serene gespürt hatte. Ich versuchte, mich an ihm vorbeizudrängen, um einen genaueren Blick darauf zu werfen, doch er hielt mich
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