Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
gut ken nen, werden vermutlich nichts be merken. Du darfst deine Kräfte nicht über Ge bühr beanspruchen. Müdigkeit verursacht Zitteranfälle und Sehstörungen. Missachte die warnenden Anzeichen, und du forderst Krampfanfälle heraus. Du wirst nicht wollen, dass man von dei ner Schwäche erfährt, deshalb solltest du dein Leben so einrichten, dass sie sich mög lichst nicht bemerkbar macht.«
»War deshalb Elfenborke im Tee?«, erkundigte ich mich nebenher.
Er zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. »Tee?«
»Vielleicht war es der Narr. Beim Aufwachen fand ich Tee und etwas zu essen in meinem Zimmer.«
»Und wenn es nun eine Aufmerksamkeit von Edel gewesen wäre?«
Ich brauchte eine Weile, um zu begreifen. »Er hätte mich vergiften können.«
»Aber hat er nicht. Diesmal nicht. Nein, weder ich noch der Narr haben für dein leibliches Wohl gesorgt. Lacey war es. Da hast du jemanden, hinter dem sich mehr verbirgt, als man ahnt. Der Narr hat dich in deinem todesähnlichen Schlaf entdeckt, und etwas hat ihn geritten, Philia davon zu erzählen. Während sie herumflatterte, nahm Lacey stillschweigend die Dinge in die Hand.
Ich glaube, insgeheim hält sie dich für ge nauso zerstreut wie ihre Herrin. Gib ihr die kleinste Gelegenheit, und sie wird dich gnadenlos bemuttern. So gut sie es auch meint, das darf nicht geschehen, Fitz. Ein Assassine muss seine Geheimnisse wahren. Lass einen Riegel an deiner Tür anbringen.«
»Fitz?«, fragte ich verwundert.
»Dein Name. FitzChivalric. Da er dir nicht mehr so gegen den Strich zu gehen scheint, nehme ich mir die Freiheit, ihn zu benutzen. ›Junge‹ will mir nicht mehr so recht über die Lippen.«
Ich nickte, und wir unterhielten uns über andere Dinge. Ungefähr eine Stunde vor Tagesanbruch kehrte ich aus seinem fensterlosen Gemach in mein eigenes zurück. Ich legte mich wieder ins Bett, doch schlafen konnte ich nicht. Der Groll über meine Stellung bei Hofe war immer schwerer zu unterdrücken je älter ich wurde - und ließ mich keine Ruhe finden. Ich warf die Decken ab, schlüpfte in meine alten, viel zu kleinen Kleider, verließ den Palast und ging hinunter nach Burgstadt.
Der raue Wind vom Meer schlug mir wie ein feuchter Lappen ins Gesicht. Ich wickelte mich fester in meinen Umhang und zog die Kapuze über den Kopf. Der steile Weg war stellenweise gefroren und rutschig. Trotzdem schritt ich weit aus und versuchte, nicht zu denken, aber ich merkte, dass das rascher kreisende Blut, statt meinen Körper zu wärmen, meinen Zorn schürte. Meine Gedanken tänzelten wie ein am kurzen Zügel gehaltenes Pferd.
Als ich seinerzeit zum ersten Mal nach Burgstadt kam, ein kleiner Junge im Sattel hinter Burrich, war es ein geschäftiger, schmuddeliger kleiner Ort gewesen. In den letzten zehn Jahren war es ständig gewachsen und hatte sich mit sei nen neuen Fassaden zu einer kleinen Stadt herausgebildet, aber der dörfliche Ursprung ließ sich nach wie vor nicht verleugnen.
Die Häuser zogen sich die steilen Klippen hinunter bis zum felsigen
Ufer; aus Raumnot hatte man Schuppen und Warenlager auf Pfählen ins Wasser hinausgebaut. Der geschützte tiefe Hafen zog Handelsschiffe und Kaufleute an. Nach Norden hin zeigte sich die Küste von einer sanfteren Seite, dort mündete der Bocksfluss ins Meer, auf dem Wa ren bis tief ins Landesinnere verschifft wurden, aber die Mündungsebene war hochwassergefährdet und der Ankergrund unsicher, da der Fluss oftmals seinen Lauf änderte. Infolgedessen hatte sich der Ort in dieser Richtung nicht weiter ausgedehnt. Die Häuser, Läden und Tavernen klebten dicht an dicht an den Hängen, ähnlich einer Brutkolonie von Seevögeln, ohne Schutz dem Wind ausgesetzt, der in wechselnder Stärke fortwährend durch die schmalen, kopfsteingepflasterten Gassen wehte. Jehöher man stieg, desto stattlicher wurden die Villen und Kontore, allesamt solide Holzbauten, die tief im Fels verankert waren. In dieser Gegend kannte ich mich wenig aus, mein Revier als Kind waren die we niger angesehenen Viertel der Kramläden und Spelunken unten am Hafen gewesen.
Als ich nach meinem tristen Marsch durch die graue Morgendämmerung dort ankam, dachte ich ironisch, wie viel besser es sowohl für Molly als auch für mich gewesen wäre, hätten wir nie den Fehler begangen, uns anzufreunden. Ihr guter Ruf hatte durch mich gelitten, und wenn ich mich nicht von ihr fernhielt, lief sie Gefahr, eine Zielscheibe für Edels Boshaftigkeit abzugeben. Was mich anging, so war
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