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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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beinahe festliche Atmosphäre, als Veritas’ Leibgarde und jeder Kriegsmann, der an diesem Tag nicht zum Dienst eingeteilt war, sich zur Jagd versammelten. Unter den Jagdhunden kläfften die Schweißhunde übermütig, während die Bullenbeißer mit ihren Brustkästen wie Fässern und ihren starken Kiefern aufgeregt blaffend an der Lei ne zogen. Man schloss erste Wetten ab, wer bei der Jagd am erfolgreichsten sein würde. Pferde stampften, Bogensehnen wurden überprüft, während Pagen hierhin
und dorthin liefen. In der Küche war das Gesinde damit beschäftigt, den Proviant für die Jagdgesellschaft einzupacken. Soldaten, jung und alt, Männer wie Frauen, stolzierten herum, lachten laut, prahlten mit früheren Heldentaten, verglichen ihre Waffen und steigerten sich in die gebührende Jagdstimmung hinein. Ich hatte dieses Szenario schon hundertmal vor einer Winterjagd auf Elch oder Bär erlebt. An diesem Tag aber lag ein Schatten darüber, ein dumpfer Blutgeruch. Ich schnappte Gesprächsfetzen auf, die mir Unbehagen verursachten: »… keine Gnade für diesen Abschaum …«, »… Feiglinge und Verräter, die es wagen, sich an unserer Königin zu vergreifen...«, »... werden es teuer bezahlen …«, »… verdienen keinen schnellen Tod …«. Beklommen trat ich den Rückzug durch die Küche an, suchte mir einen Weg durch die Eingangshalle, in der es wie in einem aufgestörten Ameisenhaufen wimmelte. Auch hier die glei chen Aussprüche und das glei che Verlangen, blutige Rache zu nehmen.
    Ich fand Veritas in seinem Kartenzimmer. Obwohl er sich gewaschen und frisch angekleidet hatte, trug er die letzte Nacht so unübersehbar an sich wie ein schmutziges Hemd, und zu mei ner Überraschung sah es nicht so aus, als hätte er vor, hinunterzugehen und sich an die Spitze des Jagdtrupps zu setzen. Obwohl die Tür halb offen stand, klopfte ich lei se an. Er saß mit dem Rü cken zu mir in einem Sessel vor dem Feuer und hob bei meinem Eintreten nicht den Kopf. Ungeachtet seines Schweigens und seiner Bewegungslosigkeit, herrschte in dem Raum Gewitterstimmung, die Ruhe vor dem Sturm. Neben seinem Sessel stand auf seinem Tisch unberührt das Tablett mit dem Frühstück. Ich wartete stumm, denn ich war so gut wie sicher, dass ich mit der Gabe gerufen worden war. Doch als die Mi nuten verstrichen, fragte ich mich, ob Veritas selbst noch wusste, weshalb. Endlich beschloss ich, die Initiative zu ergreifen.

    »Werdet Ihr heute nicht mit hinausreiten?«, fragte ich.
    Es war, als hät te ich ein Schleusentor geöffnet. Er sah zu mir auf, sein Gesicht wirkte wie eingefallen. Die Furchen in Stirn und Wangen hatten sich über Nacht doppelt so tief eingegraben. »Nein! Ich wage es nicht. Wie könnte ich das unterstützen, diese Treibjagd auf unsere Landsleute und Blutsverwandten. Andererseits - was bleibt mir anderes übrig? Mich hinter den Mauern verschanzen, während andere ausziehen, um diese Beleidigung meiner Gemahlin zu rächen? Ich kann meinen Leuten nicht verbieten zu tun, was die Ehre ihnen gebietet. Also muss ich vortäuschen, ich wüsste nichts von den Vorbereitungen im Burghof. Als wäre ich blind und taub oder gar ein Schwächling und Hasenfuß. Unzweifelhaft wird man über den heutigen Tag eine Ballade verfassen. Wie wird man sie überschreiben? ›Veritas’ Massaker der schuldlos Schuldigen‹? Oder ›Königin Kettrickens Opferung der Entfremdeten‹?« Von Wort zu Wort wurde seine Stimme lauter, und ich ging zur Tür und machte sie zu. Wer außer mir mochte ge hört haben, was gesprochen worden war? »Habt Ihr heu te Nacht noch schlafen können, Hoheit?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
    Er lächelte ein trostloses Lächeln. »Du weißt ja, was mich aus dem ersten Schlaf gerissen hat. Die zweite Störung war weniger - harmlos. Meine Gemahlin hat mich in mei nen Gemächern aufgesucht.«
    Ich fühlte, wie meine Ohren heiß wurden. Was immer er im Begriff war zu erzählen, ich wollte es nicht hören. Ich hatte nicht den Wunsch zu erfahren, was vergangene Nacht zwischen ihnen vorgefallen war. Streit oder Versöhnung, ich wollte nichts davon wissen, aber Veritas war erbarmungslos.
    »Nicht in Tränen aufgelöst, wie man vielleicht glauben könnte. Nicht, um getröstet zu werden. Nicht, um sich nach einem bösen Traum in meine Arme zu flüchten oder sich meine unveränderte
Zuneigung bestätigen zu lassen. Nein, um stocksteif wie ein getadelter Feldwebel am Fußende meines Bettes zu stehen und für ihre Unbedachtsamkeit um

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