Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
nungen Eurer Soldaten heute zu urteilen, glaube ich, dass es in ei ner Woche erheblich weniger Entfremdete geben wird.«
»Ich weiß. Doch einige von ihnen werden in den Getöteten vielleicht ihre eigenen Angehörigen oder Nachbarn erkennen. Entfremdete oder nicht, es ist das Blut der Sechs Provinzen, das wir damit vergießen. Mir kam es darauf an zu verhindern, dass meine Leibgarde meine eigenen Untertanen tötet.«
Ein kurzes, unbehagliches Schweigen entstand, als wir offenbar beide daran dachten, dass er in Bezug auf mich kei ne derartigen Skrupel gehabt hatte. Meuchelmörder war der Begirff für solche wie mich. Ich hatte anscheinend keine Ehre, auf die man Rücksicht nehmen musste.
»Du irrst dich, Fitz«, beantwortete er meine Gedanken. »Du gereichst mir zur Ehre. Und ich respektiere dich da für, dass du tust, was getan werden muss. Die schmutzige Arbeit, die Arbeit im Verborgenen. Schäme dich nicht für dei nen Anteil an der Sorge um die Sechs Provinzen. Glaube nicht, ich wüsste diese Arbeit nicht zu schätzen, nur weil sie geheim bleiben muss. Heute hast du meine Königin gerettet. Auch das werde ich dir nicht vergessen.«
»Ich bin nicht sicher, dass sie unbedingt gerettet werden musste, Hoheit. Wie es aussah, wäre sie auch ohne meine Hilfe gut zurechtgekommen.«
»Nun, darüber wollen wir nicht nachdenken.« Er schwieg, dann meinte er unschlüssig: »Ich muss dich da für belohnen.«
Als ich den Mund auf machte, um zu protestieren, hob er gebieterisch die Hand. »Ich weiß, du willst nichts haben. Ich weiß auch, zwischen uns hat sich viel Bringschuld angehäuft, die ich niemals abtragen kann, erst recht nicht durch Ehrungen oder Geschenke. Aber meine Untertanen wissen davon nichts. Soll man in Burgstadt sagen, du hättest der Königin das Leben ge rettet und der Thronfolger habe dir keinen Dank dafür gezollt? Doch ich weiß nicht recht, welcher Art das Geschenk sein sollte … sichtbar muss es sein und etwas, das du eine Zeitlang bei dir trägst. Soviel wenigstens verstehe ich von der Kunst des Regierens. Ein Schwert? Ein besseres als das Stück Ei sen, das ich heute Abend bei dir gesehen habe?«
»Es ist eine alte Klinge, die Meisterin Hod mir gegeben hat, um damit zu üben«, verteidigte ich mich. »Sie tut ihren Dienst.«
»Scheint so. Ich werde sie anweisen, eine bessere Klinge für dich auszuwählen und Heft und Scheide eine Probe ihrer Kunstfertigkeit angedeihen zu lassen. Können wir uns darauf einigen?«
»Ich glaube.« Mir war nicht wohl in meiner Haut.
»Gut. Dann lass uns wieder zu Bett ge hen. Und ich werde jetzt ruhig schlafen kön nen, oder nicht?« Diesmal war die Belustigung in seiner Stimme unüberhörbar. Wieder schoss mir die Röte ins Gesicht.
»Hoheit, ich muss noch etwas fragen …« Es kostete mich Überwindung, die Worte auszusprechen. »Wisst Ihr, von wem ich geträumt habe?«
Veritas schüttelte verneinend den Kopf. »Keine Sorge, dass du sie bloßgestellt hast. Ich weiß nur, dass sie blaue Rö cke trägt, aber für dich sind sie rot. Und dass du sie mit einer Inbrunst liebst, wie sie deinen jungen Jahren angemessen ist. Es sei dir gegönnt, nur
verbreite nachts deine Begeisterung weniger verschwenderisch. Ich bin nicht der Einzige, der für solche Gabenbotschaften empfänglich ist. Selbst wenn wahrscheinlich nur ich sofort erkennen konnte, von wem sie stammt. Dennoch, sei auf der Hut. Galens Zirkel ist nicht zu unterschätzen, auch wenn sie keine Meister im Gebrauch der Gabe sind und nicht sehr stark. Ein Mann ist verwundbar, wenn seine Feinde wissen, woran sein Herz hängt. Halte deine Tore geschlossen.« Er lachte glucksend in sich hinein. »Und du solltest übrigens hoffen, dass deine Lady Rotrock keine Spur der Gabe in ihrem Blut hat, denn falls doch, hast du ihr in den letzten Nächten überdeutlich deine leidenschaftliche Verehrung kundgetan.«
Diesen beunruhigenden Gedanken im Hinterkopf, kehrte ich in mein Gemach und in mein Bett zurück, doch Schlaf fand ich in dieser Nacht keinen mehr.
KAPITEL 8
DIE KÖNIGIN ERWACHT
Oh, manche reiten zur frohen Jagd,
Erproben die Bracken und Pferde,
Doch mein Liebster reit’ mit der Königin,
Dass uns geholfen werde.
Sie denkt nicht an Ruhm an jenem Tag,
Denkt nicht, was werd’ ihr zuleide,
Die reitet für unseren Stolz und Mut,
Und mein Liebster reit’ ihr zur Seite.
DIE JAGD DER KRIEGERKöNIGIN
Am nächsten Morgen erwachte die ganze Burg in aller Frühe zum Leben. Es herrschte eine fiebrige,
Weitere Kostenlose Bücher