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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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berührt hatte. Etwas von ihrem Duft haftete noch an mei nem Hemd, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich es deshalb anbehalten sollte, damit ihr Duft mich durch den Tag begleitete, oder es lieber sorgsam in meine Kleidertruhe legen, um ihn mir zu bewahren. Ich empfand es nicht als töricht, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn ich zu rückblicke, muss ich darüber lächeln, allerdings eher über meine Weisheit als über meine Unvernunft.
    Der Morgen brachte Sturm und Schneegestöber, doch umso mehr Geborgenheit vermittelten die dicken Mauern. Vielleicht verhalf uns das Wetter zu einer Atempause und der Gelegenheit, uns von dem gestrigen Tag zu erholen. Ich scheute die Erinnerung an die vie len Toten, ihre ausgemergelten, verrenkten Leiber, die stillen, kalten Gesichter; an die prasselnden Flammen, die Kerrys Leichnam verzehrt hatten. Wir konnten alle einen Ruhetag gebrauchen. Vielleicht würde uns der Abend am Feuer zu Geschichten, Musik und Gesprächen zusammenführen. Ich hoffte es. Zu diesem Idyll waren es allerdings noch etliche Stunden hin, und in der Zwischenzeit hatte ich Wichtiges zu tun.
    Mit Chades Warnung im Hinterkopf wollte ich Phi lia und Lacey aufsuchen, aber statt zu ihnen zu gehen, saß ich wie auf glühenden Kohlen in meinem Zimmer. Ich kannte den genauen
Zeitpunkt, wann Molly in die Küche hinunterging, um Philia das Frühstück zu holen, und auch, wann sie da mit zurückkam. Weshalb sollte ich nicht auf der Treppe oder im Korridor mit ihr zusammentreffen? - Eine zu fällige Begegnung, nichts weiter. Doch ganz ohne Zweifel gab es Spitzel, die mich beobachteten, und sie würden Verdacht schöpfen, wenn sol che ›Zu fälle‹ häufiger vorkamen. Nein. Die geringste Unvorsichtigkeit konnte verheerende Folgen haben. Ich würde Molly beweisen, dass ich die Selbstbeherrschung und die Geduld eines erwachsenen Mannes besaß. Wenn ich warten musste, bevor ich ihr den Hof machen durfte, dann war ich bereit zu warten. Deshalb saß ich in meinem Zimmer und litt mannhaft, bis ich sicher sein konnte, dass sie Philias Gemächer verlassen hatte. Dann ging ich die Treppe hinunter und klopfte an. Während ich darauf wartete, dass Lacey mir öffnete, musste ich wie der daran denken, dass die Anweisung, doppelt so gut wie bisher auf meine Schutzbefohlenen aufzupassen, leichter zu versprechen als auszuführen war. Den noch hatte ich mir ei niges überlegt. Gestern Abend war da mit bereits ein An fang gemacht, als ich Molly das Versprechen abnahm, den beiden Frauen keine Speisen zu bringen, die nicht von ihr selber zubereitet waren oder aus den für die Allgemeinheit bestimmten Schüsseln und Töpfen stammten. Sie hatte darauf nur ein Schnauben, denn die Bitte erfolgte nach einer höchst leidenschaftlichen Verabschiedung. »Jetzt hörst du dich an wie Lacey«, hatte sie sich beschwert und mir die Tür vor der Nase zugemacht. Um sie ei nen Moment darauf wieder zu öffnen und festzustellen, dass ich noch davorstand wie angewachsen. »Geh zu Bett«, stichelte sie und fügte errötend hinzu: »Und träum von mir. Ich hoffe, ich habe so oft dei ne Träume heimgesucht wie du die meinen.« Diese Worte genügten, um mich in die Flucht zu schlagen, und seither schoss mir jedes Mal, wenn ich daran dachte, das Blut ins Gesicht.

    Als ich jetzt Phi lias Ge mächer betrat, versuchte ich, mir all das aus dem Kopf zu schlagen. Ich war nicht zum Spaß hier, auch wenn Philia glauben sollte, es handele sich nur um einen Höflichkeitsbesuch. Im Vorbeigehen warf ich einen Blick auf das Schloss an der Tür und war zufrieden. Es war besser als das an Mollys Tür und nicht so ohne weiteres mit einem Gürtelmesser auszuhebeln. Genauso die Fenster - selbst wenn es je mandem gelang, die Außenmauer zu erklimmen, so erwarteten ihn da nach als Hindernisse nicht allein fest verbarrikadierte Fensterläden, sondern dahinter ein Wandteppich sowie Reihe um Reihe von Topfpflanzen, die wie Soldaten zur Schlacht vor dem verschlossenen Fenster aufgestellt waren. Kein gedungener Mörder mit Erfahrung würde sich auf diesen mit Stol perfallen gespickten Weg ein lassen. Lacey setzte sich hin und nahm wieder ihr Strickzeug zur Hand, während Philia mich begrüßte. Sie saß wie ein junges Mädchen vor dem Kamin auf dem Boden und stocherte müßig in der Glut umher. »Wusstest du«, fragte sie plötzlich, »dass es eine lange Tradition starker Königinnen hier in Bocksburg gibt? Und nicht alle entstammten dem Geschlecht der Weitseher. Manch ein

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