Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Weitseher-Prinz nahm eine Frau zur Gemahlin, deren Name in der Geschichte schließlich den seinen überstrahlte.«
»Glaubt Ihr, Kettricken wird eine solche Königin sein?«, fragte ich höflich. Ich hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte.
»Ich weiß es nicht.« Wieder stocherte sie zwischen den zerfallenden Scheiten. »Ich weiß nur, ich wäre keine gewesen.« Mit einem tiefen Seufzer hob sie den Blick und sagte in fast entschuldigendem Ton: »Ich habe ei nen dieser Tage, Fitz, an de nen ich da ran denken muss, was gewesen ist und was hätte sein können. Ich hätte ihm seinen Rücktritt nie erlauben dürfen. Er würde heute noch leben.«
Was sollte ich darauf antworten? Sie seufzte erneut und zeichnete
mit dem Schürhaken Muster in die Asche. »Ich bin heute ganz und gar von der Sehnsucht nach den alten Tagen erfüllt, Fitz. Während alle anderen gestern staunend auf Kettricken schauten, erfüllte mich tiefste Unzufriedenheit mit mir selbst. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich hätte mich in mei nen Gemächern verkrochen, genau wie ich es jetzt gerade tue. Deine Großmutter, die war von anderem Format. Das war eine Königin! In mancher Hinsicht wie Kettricken. Constance war eine Frau, die andere und besonders ihre Geschlechtsgenossinnen zu Taten anspornte. Zu ihrer Zeit bestand unsere Garde zur Hälfte aus Frau en, wusstest du das? Frag Hod irgendwann nach ihr. Wenn ich mich nicht irre, war Hod in ihrer Begleitung, als Constance hierherkam, um sich mit Listenreich zu vermählen.« Sie verstummte und schwieg so lange, so dass ich erstaunt war, als sie noch leise hinzufügte: »Königin Constance mochte mich gern.« Ein scheues Lächeln spielte um ihren Mund.
»Sie wusste, dass ich mich unter vielen Menschen unwohl fühlte, deshalb ließ sie mich manchmal - und nur mich - zu sich in ihren Garten hinaufkommen. Wir redeten nicht viel miteinander, sondern arbeiteten ruhig in den Beeten und im Sonnenschein. Das sind meine schönsten Erinnerungen an Bocksburg aus jener Zeit.« Sie blickte zu mir auf. »Ich war da mals noch ein kleines Mädchen. Dein Vater war ein Knabe, und wir kannten uns kaum. Wenn meine Eltern an den Hof reisten, nahmen sie mich mit, obwohl sie wussten, wie wenig ich mir aus dem ganzen Firlefanz machte. Wie bezeichnend für das Wesen einer Königin, eine graue Maus wie mich überhaupt zu be merken und ihr etwas Zeit zu op fern. Aber so war sie. Bocksburg war anders unter ihrem Einfluss, viel heiterer. Es herrschten Frieden und Stabilität. Aber dann starb sie am Kindbettfieber und ihre neugeborene Tochter mit ihr. Und Listenreich nahm wenige Jahre später eine andere Gemahlin und...«
Sie sprach nicht weiter und schüttelte leicht den Kopf. Dann aber setzte sie eine entschlossene Mie ne auf und klopfte neben sich auf den Boden.
»Komm, setz dich zu mir. Es gibt etwas zu besprechen.«
Ich folgte ihrer Aufforderung. Noch nie hat te ich Phi lia so ernst erlebt; ich fühlte, dies alles diente einem bestimmten Zweck. Sie war so anders als sonst, dass es mir bei nahe Angst machte. Als ich neben ihr saß, winkte sie mich noch näher zu sich und flüsterte: »Manche Dinge sollten unausgesprochen bleiben, aber es kommt doch eine Zeit, wenn es unrecht wäre, länger zu schweigen. FitzChivalric, du darfst mich nicht für böswillig halten, aber ich muss dich warnen, dass dein On kel Edel dir nicht so wohlgesonnen ist, wie du vielleicht glaubst.«
Ich konnte nicht anders. Ich lachte.
Wie nicht anders zu erwarten, war Phi lia gekränkt. »Hör auf mich!«, wisperte sie beschwörend. »Oh, ich weiß, er ist charmant und geistreich. Ich weiß, wie gut er zu schmeicheln versteht, und ich habe gesehen, wie sämtliche junge Frauen ihn umflattern und die jungen Männer seine Art der Kleidung und sein Auftreten nachäffen. Doch unter dem eleganten Putz verbirgt sich bren nender Ehrgeiz. Gepaart mit Argwohn und Neid, wie ich fürchte. Bisher habe ich dir nichts davon gesagt, doch er war strikt dagegen, dass ich deine Erziehung übernehme, wie auch gegen deine Unterweisung in der Gabe. Manchmal denke ich, es ist gut, dass du darin versagt hast, sonst wäre sei ne Eifersucht ins Une rmessliche gewachsen.« Sie machte eine Pause, doch als sie sah, dass ich ihr ernsthaft zuhörte, fuhr sie fort: »Wir leben in unruhigen Zeiten, Fitz. Nicht allein wegen der Roten Korsaren, die unsere Küsten heimsuchen. Besonders du, aufgrund der Umstände deiner Geburt, musst vorsichtig sein. Manche von denen, die dir
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