Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
meisten meiner Schicksalsgenossen erging es nicht besser, und bei Anbruch der Dunkelheit richteten wir uns da, wo wir den ganzen Tag über gestanden hatten, für die Nacht ein. Ein Bäckerlehrling ging mit einem Tablett übrig gebliebener Waren zwischen uns umher, worauf ich für einen weiteren Kupfergroschen ein dunkles, mit Körnern bestreutes Brot erstand. Ich teilte den Laib mit einem stämmigen Burschen, dem das flachsblonde Haar unter dem Kopftuch hervorlugte. Als Gegengabe bekam ich von Creece, so hieß der Bursche, ein Stück Trockenfleisch, ein paar Schlucke von dem sauersten Wein, den ich je gekostet hatte, und erfuhr eine Vielzahl von Gerüchten. Er war ein Schwätzer, einer von denen, die immer gleich Schaum vor dem Mund haben und keine einfachen Unterhaltungen, sondern immer gleich Streitgespräche führen. Da ich nur wenig beizutragen hatte, stachelte Creece die anderen Leute um uns herum zu einer hitzigen Debatte über die derzeitige politische Situation in Farrow auf. Jemand zündete ein kleines Feuer an, weniger der Kälte wegen, sondern damit wir Licht hatten, und mehrere Flaschen machten die Runde. Ich legte mich hin und den Kopf auf mein Bündel, und versuchte den Eindruck zu erwecken, dass ich beim Zuhören langsam eindöste.
    Es fielen hier keine Worte über die Roten Schiffe und es gab keine Anspielung auf den Krieg. Auf einmal verstand ich, wie sehr es dieses Volk erbittern musste, mit ihren Steuern für Truppen zum Schutz einer Küste zu zahlen, die sie niemals gesehen hatten, oder für Kriegsschiffe auf einem Ozean, den sie sich nicht einmal vorzustellen vermochten. Die weite Steppe zwischen Lände und dem Blauen See war ihr Ozean, und die Viehtreiber waren die kühnen Seefahrer, die ihn bereisten. Die Sechs Provinzen waren kein Staatenbund, bei dem zusammengewachsen war, was zusammengehörte, sie bildeten nur deshalb eine Einheit, weil eine Dynastie machtbewusster Herrscher sie mit einer gemeinsamen Grenze umgeben und sie als gemeinsames Reich bestimmt hatte. Auch wenn die Herzogtümer an der Küste von den Roten Korsaren erobert wurden, diese Menschen hier berührte das nicht. Es gab weiterhin Vieh zu hüten, sauren Wein zu trinken; es gab immer noch Gras und den Fluss und die staubigen Straßen. Unwillkürlich fragte ich mich, welches Recht wir hatten, diesen Menschen Geld für einen Krieg abzupressen, der irgendwo weit weg von hier geführt wurde. Tilth und Farrow waren erst erobert und dann in das Königreich der Sechs Provinzen eingegliedert worden; sie hatten nicht etwa um Aufnahme gebeten, weil sie sich davon etwa wirtschaftliche oder gar militärische Vorteile erhofft hatten. Natürlich hatten sie durch den Zusammenschluss profitiert: erstens durch die Befreiung von einem System sich gegenseitig befehdender Feudalherren und zweitens durch die Erschließung neuer Märkte für ihre Waren. Wie viel Ellen Segeltuch, wie viele Rollen gutes Hanfseil hatten sie verkauft, bevor sie Teil der Sechs Provinzen wurden? Dennoch schien es mir bei genauerer Betrachtung ein viel zu geringer Gewinn zu sein.
    Diese Gedanken wirkten ebenso einschläfernd wie die Gespräche am Feuer, die sich hauptsächlich um das Handelsembargo gegen das Bergreich drehten. Ich war eingedöst, als ich plötzlich bei den Worten ›der Narbenmann‹ aufhorchen musste. Ich schlug die Augen auf und hob lauschend den Kopf.
    Jemand hatte ihn und alte Sagen von ihm als Unglücksbringer erwähnt, indem er schadenfroh bemerkte, Hencils Schafe hätten ihn bestimmt alle gesehen, weil sie in ihrem Pferch krepierten, bevor der Ärmste sie verkaufen konnte. Mich beunruhigte der Gedanke an eine Seuche in dieser drangvollen Enge, doch ein anderer Mann lachte und erklärte, König Edel habe verkündet, es wäre kein Unglück mehr, den Narbenmann zu sehen, sondern etwas Besseres könne man sich gar nicht wünschen. »Wenn mir der alte Knabe über den Weg läuft, werde ich nicht verängstigt Reißaus nehmen, sondern ihn mir packen und vor des Königs Thron schleifen. Er verspricht jedem hundert Kurante in Gold, der ihm den Narbenmann aus dem Herzogtum Bock herbeischafft.«
    »Fünfzig! Fünfzig Goldkurante sind’s, nicht hundert.« Creece nahm einen tiefen Schluck aus seiner Flasche. »Was für eine Übertreibung, hundert Goldkurante für einen alten grauen Mann!«
    »Nein, nein, es sind hundert allein für ihn und nochmals hundert für den Wolfsmann, der ihm wie ein Hund folgt. Ich habe es heute Nachmittag ausrufen hören. Sie sind in

Weitere Kostenlose Bücher