Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
nicht davongejagt, hätte bald einer wie der Zwiefarbene Prinz darauf gewartet, den Thron zu besteigen.«
Er erntete durchweg Zustimmung in der Runde. Ich schloss die Augen und drehte mich wie gelangweilt auf die Seite, weil ich fürchtete, man könnte mir die Wut, die in mir kochte, am Gesicht ablesen. Zur Sicherheit zog ich mir das Kopftuch tiefer in die Stirn. Welchen Zweck verfolgte Edel mit der Verbreitung solcher Gerüchte? Denn nur von ihm konnte dieses giftige Gebräu an Gerüchten stammen. Ich konnte hier aber keine Fragen stellen, denn möglicherweise erregte es Argwohn, wenn ich etwas nicht wusste, das offenbar die Spatzen ansonsten von den Dächern pfiffen. Deshalb lag ich weiter still da und lauschte aufmerksam dem Gespräch. Kettricken war danach in ihre Bergheimat zurückgekehrt. Aus den gehässigen Kommentaren schloss ich, dass man erst kürzlich davon erfahren hatte. Einige murrten, nur durch die Schuld der Hexe aus den Bergen wären die Pässe für ehrbare Händler aus Tilth und Farrow gesperrt. Ein Mann verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass jetzt, wo der Handel mit der Küste zum Erliegen gekommen war, das Bergreich eine Möglichkeit sah, Farrow und Tilth zu erpressen und zu einer Übereinkunft zu zwingen, wenn sie nicht gänzlich von allem Handel abgeschnitten sein wollten. Ein anderer wusste zu berichten, dass selbst eine gewöhnliche Handelskarawane, eskortiert von Soldaten in Edels Farben, an der Grenze zurückgewiesen worden wäre.
Für mich war dieses Gerede hahnebüchener Unsinn. Das Bergreich brauchte den Handel mit Farrow und Tilth, besonders ihr Getreide. Korn war für die Menschen dort oben weit wichtiger als das Holz und die Pelze der Berge für diese Tiefländer. Man hatte seinerzeit offen zugegeben, dass wirtschaftliche Interessen ein Grund gewesen waren, die Vermählung zwischen Kettricken und Veritas zu arrangieren. Selbst wenn Kettricken in ihrer Heimat Zuflucht gesucht haben sollte, kannte ich sie gut genug, um zu wissen, dass sie niemals Einschränkungen im Warenverkehr zwischen dem Bergreich und den Sechs Provinzen befürworten würde. Sie fühlte sich beiden Seiten verpflichtet und stellte nach geheiligter Tradition das Wohl ihrer Untertanen über das eigene. Wenn es ein Handelsembargo gab, dann trug Edel dafür die Verantwortung, doch am Feuer murrte man weiter über die ›Hexe aus den Bergen‹ und ihren Rachefeldzug gegen den König.
Bereitete Edel den Boden für einen Krieg mit dem Bergreich? Hatte er versucht, dort Militär einzuschleusen, getarnt als Geleitschutz? Ein närrischer Einfall. Vor langer Zeit war mein Vater ins Bergreich geschickt worden, um Grenzverläufe festzulegen und Handelsverträge abzuschließen - was das Ende langjähriger und immer wieder aufflammender Feindseligkeiten war. Die verlustreichen Auseinandersetzungen hatten König Listenreich zu der Überzeugung gebracht, die Pässe und Wege des Bergreiches seien nicht mit Gewalt zu erobern und zu halten. Mit einigem Widerwillen verfolgte ich diesen Gedankengang weiter. Edel war es gewesen, der Kettricken als geeignete Braut für Veritas vorgeschlagen hatte. Er hatte es auf sich genommen, im Namen seines Bruders um sie zu werben. Dann, als der Tag der Vermählung nähergerückt war, hatte er versucht, Veritas zu ermorden, um selbst die Prinzessin zur Gemahlin zu nehmen. Der Anschlag wurde vereitelt, und aus politischen Gründen hatte man den Mantel des Schweigens über seine Intrigen gebreitet. Sein Plan, durch den Tod seines älteren Bruders Thronfolger zu werden und mit der Prinzessin auch die Thronerbin des Bergreiches an sich zu binden, war fehlgeschlagen. Ich erinnerte mich an ein Gespräch zwischen Edel und dem Verräter Galen, das ich einmal belauscht hatte. Sie hatten davon gesprochen, dass Tilth und Farrow am besten zu sichern wären, wenn sie die Berge in ihrem Rücken unter Kontrolle hatten. Dachte Edel nun daran, sich mit Gewalt zu verschaffen, was er sich einst durch Heirat erschleichen wollte? Glaubte er, genug Hass auf Kettricken schüren zu können, um seine Anhänger für einen gerechten Krieg zu begeistern? Dass sie ins Feld zogen, um die ›Hexe aus den Bergen‹ für ihre Anmaßung zu strafen und die Pässe für ihre Handelsgüter zu öffnen?
Edel, überlegte ich, war fähig, alles zu glauben, was er glauben wollte. Berauscht von Wein und Rauchkraut, hielt er wahrscheinlich seine abstrusen Hirngespinste für Wahrheit. Hundert Goldkurante für Chade, hundert für mich. Ich
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