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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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für meinen Teil wusste sehr gut, was ich getan hatte, um ein solches Kopfgeld zu rechtfertigen, aber wodurch mochte Chade Edels Missfallen erregt haben? In all den Jahren, die ich ihn kannte, war Chade stets unerkannt im Verborgenen tätig gewesen. Er war auch jetzt noch ein Unbekannter, aber man wusste um sein narbiges Gesicht und die Ähnlichkeit mit seinem Halbbruder. Das bedeutete, er war irgendwo von irgendjemandem gesehen worden. Ein Teil von mir wollte auf der Stelle nach Bocksburg zurückkehren und ihn suchen. Als könnte ich ihn beschützen.
    Komm zu mir.
    Veritas’ Ruf tönte durch mein Bewusstsein, als hätte er gespürt, dass ich abtrünnig zu werden drohte. Denn mein erster Weg sollte zu ihm führen, zu Veritas - ich versicherte es mir wieder und wieder und fiel schließlich in einen unruhigen Dämmerschlaf. Ich träumte jene wiederkehrenden Träume mit Bildern aus der Vergangenheit, aber es waren blasse Traumbilder, kaum von der Gabe berührt, flüchtig und unstet wie vom Herbstwind aufgewirbelte Blätter.
    Ich erwachte mit schmerzendem Kopf und von einem Stein, auf dem ich gelegen hatte, tat mir auch der Rücken weh. Der Tag war noch kaum angebrochen, als ich mich trotzdem erhob, um einen Brunnen zu suchen, mich zu waschen und so viel zu trinken, wie ich nur konnte. Burrich hatte mir einmal gesagt, viel zu trinken wäre ein gutes Mittel gegen Hunger. Ob und wie recht er hatte, würde ich heute überprüfen können. Ich schärfte mein Messer, dachte ans Rasieren und entschied mich dagegen. Edel suchte nach mir, deshalb war es klüger, mir einen Bart stehen zu lassen, der die Narbe an meiner Wange verdeckte. Verdrossen rieb ich über die kratzigen Stoppeln, die mich jetzt schon ärgerten. Ich kehrte zu dem Platz zurück, wo die anderen noch schliefen.
    Sie begannen gerade erst sich zu regen, als ein dicklicher kleiner Mann erschien und mit schriller Stimme verkündete, dass er jemanden suchte, der ihm half, seine Schafe in einen anderen Pferch zu treiben. Es war höchstens eine Beschäftigung für den Vormittag, wenn überhaupt, und die meisten meiner Genossen schüttelten den Kopf; sie wollten lieber hier warten und eine Arbeit annehmen, die sie bis zum Blauen See brachte. Er beschwor uns fast, weil er doch vor dem morgendlichen Verkehr die Herde durch die Stadt treiben müsse. Da ihm die Zeit auf den Nägeln brannte, versprach er zu guter Letzt zu dem Lohn noch ein Frühstück, und ich glaube, das bewog mich, ihm zu folgen. Nachdem wir mit Handschlag die Abmachung besiegelt hatten, stellte er sich mir vor. Sein Name war Damon, und auf dem Weg zu seiner Herde hörte er nicht auf zu reden, gestikulierte mit beiden Händen und erklärte mir haarklein, wie er seine Tiere behandelt wissen wollte. Es waren Mutterschafe aus allerbester Zucht, die sich keinesfalls verletzen oder auch nur aufregen durften. Man musste sie ruhig und bedächtig führen, was ihmzufolge ohnehin die beste Art war, Schafe zu treiben. Bei diesem Redeschwall nickte ich ihm wortlos zu und ließ mich von ihm zu einem Pferch fast am anderen Ende der Schlachthauszeile führen. Dort wurde mir klar, weshalb er es so eilig hatte, seine Schafe wegzubringen. Das Gatter nebenan musste dem glücklosen Hencil gehören. Ein paar Tiere hielten sich noch auf den Beinen, die meisten aber lagen tot oder sterbend am Boden - so wie es aussah, handelte es sich hier um Schafsruhr. Der Gestank der Seuche bereicherte das Spektrum übler Gerüche um eine weitere Nuance. Einige Schindergesellen waren damit beschäftigt, den toten Schafen das Fell abzuziehen, um wenigstens etwas zu retten. Sie veranstalteten ein wahres Schlachtgemetzel und ließen die abgezogenen Kadaver bei den sterbenden Tieren im Pferch liegen. Die Szene erinnerte mich auf grausige Art an ein Schlachtfeld, wo sich Plünderer an den Gefallenen zu schaffen machten. Ich wandte den Blick ab und half Damon, seine Schafe zusammenzutreiben.
    Schafe mit der Alten Macht beeinflussen zu wollen, ist nahezu vergebliche Liebesmüh; ihre Gedanken ähneln dem ständig wechselnden Lichtspiel der Sonne im Laub der Bäume. Selbst solche Schafe, die einen gelassenen Eindruck machen, haben schnell einfach nur vergessen, was sie eben noch wollten. Die schlimmsten von ihnen entwickeln einen geradezu krankhaften Argwohn und beginnen bei der geringsten Kleinigkeit wie wild aufgescheucht umherzurennen. Am besten macht man sich die Methode der Hütehunde zu eigen, überzeugt sie davon, was für ein wunderbarer

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