Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Burrichs breitschultrige Gestalt im Türrahmen erschien. »Ich bin es nur, nass bis auf die Haut. Dörräpfel habe ich nicht mitgebracht. Nicht einmal für Geld und gute Worte sind welche zu bekommen. Der Krämer im Dorf ist wie ausgeplündert. Hoffentlich ist das Mehl nicht nass geworden. Ich wäre früher zurückgekommen, aber dieses Unwetter...« Er trat über die Schwelle, während er redete, und wirkte wie ein Hausvater, der mit einem schweren Bündel über der Schulter von Besorgungen im Dorf heimkehrte. Regentropfen perlten über sein Gesicht und strömten über seinen Umhang.
»Es ist so weit, es hat angefangen«, sagte Molly drängend.
Burrich stellte den Beutel hin, um die Tür zu schließen und zu verriegeln. »Was hat angefangen?«, fragte er.
»Das Kind kommt.« Ihre Stimme klang jetzt merkwürdig ruhig.
Er schaute sie einen Augenblick verständnislos an, dann sagte er entschieden: »Nein. Du hast nachgerechnet, ich habe nachgerechnet; es ist noch nicht an der Zeit.« Fast zornig argumentierte er gegen das Offensichtliche an. »Noch fünfzehn Tage, vielleicht länger. Die Hebamme, ich war heute bei ihr und habe alles besprochen. Sie sagt, sie käme in den nächsten Tagen vorbei, um...«
Seine Stimme erstarb, als Molly erneut die Hände um die Tischplatte krampfte. Ihre schmerzverzerrten Lippen entblößten ihre Zähne, während die Wehe sich in ihr unbarmherzig ausbreitete. Burrich stand da wie versteinert; ich hatte ihn noch nie so blass gesehen. »Soll ich ins Dorf laufen und sie holen?«, fragte er konsterniert.
Danach war nur das Prasseln von Wasser auf dem rohen Bretterboden zu hören. Nach einer halben Ewigkeit holte Molly Atem. »Ich glaube, dafür ist es jetzt zu spät.«
»Wenigstens solltest du dich hinlegen.« Burrich rührte sich noch immer nicht und dachte nicht einmal daran, seinen durchnässten Umhang abzunehmen.
»Ich hab’s versucht, aber es tut so furchtbar weh, wenn ich liege und eine Wehe kommt. So weh, dass ich schreien muss.«
Sein kurzes Nicken wirkte wie das einer Marionette. »Dann ist es wohl besser im Stehen. Natürlich.«
Molly schaute ihn flehend an. »Es kann doch... es kann doch nicht viel anders sein als bei einem Fohlen oder einem Kalb...«
Seine Augen wurden so groß, dass man das Weiße ringsum sehen konnte. Er schüttelte heftig den Kopf.
»Aber Burrich, hier ist sonst niemand, der mir helfen kann. Und ich bin...« Ihre Beine gaben nach, und sie sank in sich zusammen, bis ihre Stirn auf der Tischkante ruhte. Ihr entfuhr ein tiefes Keuchen, und der Ton war genauso sehr von Schmerz wie von Angst erfüllt.
Das war es, was Burrich endlich aus seiner Erstarrung riss. Er richtete sich auf und straffte die Schultern. »Nein, du hast Recht; es kann nicht so viel anders sein. Ich habe das Hunderte Male getan. Alles ganz genauso - im Grunde. Nun gut, wir werden sehen. Es wird schon gutgehen, ich muss nur...« Er riss den Umhang auf und ließ ihn zu Boden fallen, wischte sich fahrig über das Gesicht, dann kniete er neben Molly nieder. »Ich werde dich jetzt anfassen«, warnte er, und ich sah, wie Molly ihm mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken ihre Zustimmung gab.
Dann lagen Burrichs erfahrene Hände auf ihrem Leib, strichen mit sanften, gleichmäßigen Bewegungen von oben nach unten, wie ich es ihn hatte tun sehen, wenn eine Stute sich zu lange quälte und er die Geburt beschleunigen wollte. »Nicht mehr lange, bald hast du es überstanden«, erklärte er. »Es hat sich schon gesenkt.« Plötzlich strahlte er eine Zuversicht aus, die sich auf Molly übertrug. Er half mit seinen Streichbewegungen nach, als die nächste Wehe sie packte. »So ist es gut, so ist es richtig.« Wie oft hatte ich ihn diese beruhigenden, aufmunternden Worte im Marstall von Bocksburg sprechen hören. In den Wehenpausen stützte er Molly und hörte nicht auf zu reden, nannte sie sein tapferes Mädchen, sein braves Mädchen, das bald ein wunderschönes Kind haben würde. Ich glaube nicht, dass einer von ihnen dabei auf den Sinn der Worte achtete, allein der Tonfall war wichtig. Einmal stand er auf, um eine Decke zu holen, die er gefaltet neben sich auf den Boden legte. Ohne schamhaftes Getue schob er Mollys Nachthemd nach oben und sprach ihr weiter Mut zu, während sie sich krümmte und keuchend nach Atem rang. Ich konnte die wellenförmige Bewegung sehen, die über die Bauchdecke lief, dann stieß sie plötzlich einen hellen Schrei aus, und Burrich sagte: »Weiter, weiter, das wird, das
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