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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erklären, und dieses Mal wirklich alles, und sie würde verstehen und mir verzeihen, weil es nie wieder irgendwelche Geheimnisse zwischen uns geben würde.
    Ich zögerte nicht lang. Im Dunkeln richtete ich mich auf, griff nach meinem Bündel, das ich als Kopfkissen benutzt hatte, und machte mich auf den Weg. Flussabwärts war die Reise ein Kinderspiel. Ich besaß ein paar Silberstücke, um für die Passage auf einem Boot zu zahlen, und waren sie aufgebraucht, konnte ich für die Weiterfahrt arbeiten. Der Vin war ein träger Fluss, aber einmal an Turlake vorbei, würde der Bocksfluss mich schnell meinem Ziel entgegentragen. Ich kehrte zurück. Heim zu Molly und unserer Tochter.
    Komm zu mir.
    Ich blieb stehen. Das war nicht Veritas, der zu mir dachte. Dieser Ruf, dieser Befehl kam aus meinem Innern, seit Veritas’ Gabenattacke gegen Will und seinen Zirkel war er meinem Bewusstsein eingebrannt. Wenn mein König wüsste, aus welchem Grund es mich nach Hause zog, wäre er der letzte, der versuchen würde, mich davon abzuhalten. Also, weshalb zögerte ich? Ich konnte beruhigt weitergehen.
    Schitt für Schritt ging ich langsam immer weiter die mondbeschienene Straße entlang. Doch bei jedem Schritt, bei jedem Schlag meines Herzens hallten die Worte in meinem Kopf wider. Komm zu mir. Komm zu mir. Komm zu mir . Ich hörte nicht hin. Ich ging weiter. Ich versuchte, an nichts anderes zu denken als an Molly und unsere kleine Tochter. Sie musste einen Namen haben. Ob Molly ihr schon einen Namen gegeben haben würde, bevor ich bei ihnen sein konnte?
    Komm zu mir.
    Wir mussten schnellstens heiraten, in irgendeinem kleinen Dorf einen offiziellen Trauzeugen finden. Burrich konnte beschwören, dass ich ein Findling war, ohne Liste von Vorfahren, die der Trauzeuge sich einprägen musste. Ich würde meinen Namen mit Neuer angeben. Ein ungewöhnlicher Name, aber es gab merkwürdigere, und ich konnte damit leben. Namen, die mir einst so wichtig waren, hatten keine Bedeutung mehr für mich. Ich wollte nur bei meiner Frau und meiner Tochter sein.
    Komm zu mir.
    Natürlich musste ich mir Arbeit suchen, irgendeine Arbeit. Ich beschloss, dass die Silberstücke in meinem Beutel viel zu kostbar waren, um sie für die Reise auszugeben; lieber wollte ich sie sparen und für die ganze Passage nach Hause arbeiten. Aber wenn ich dort angekommen war, was sollte ich dann tun, um meine Familie zu ernähren? Mit welchen Fertigkeiten konnte ich aufwarten? Ungehalten schob ich solche Zweifel beiseite. Irgendetwas würde sich schon finden. Ich war fest entschlossen, ein guter Ehemann zu sein und ein guter Vater. Meine Frau und mein Kind sollten nichts entbehren müssen.
    Komm zu mir.
    Meine Schritte waren nach und nach immer langsamer geworden. Jetzt stand ich auf einer kleinen Anhöhe und schaute die Straße entlang, die sich zu der Stadt am Flussufer hinunterschlängelte. Überall brannten noch Lichter. Dort unten konnte ich ein Boot finden, das flussabwärts fuhr, und einen Schiffer, der sich überreden ließ, einen unerfahrenen Helfer anzuheuern. Die einfachste Sache der Welt. Also, worauf wartete ich dann noch?
    Ich verstand nicht, weshalb ich nicht einfach weiterging. Ich tat noch einen Schritt, stolperte dann, weil sich plötzlich alles um mich herum drehte, und fiel auf die Knie. Ich musste zu Veritas. Ich konnte nicht zurück nach Bocksburg, nicht zu Molly, nicht zu unserem Kind. Veritas, ich musste einfach zu Veritas gehen. Noch heute verstehe ich es nicht und kann es deshalb auch nicht erklären. Ich kniete im Gras, schaute hinunter auf die Stadt und wusste ohne den Schatten eines Zweifels, wohin es mich mit allen Fasern meines Herzens zog. Dennoch konnte ich nicht zu ihnen gehen. Nichts hielt mich zurück. Kein Mann hob die Hand oder das Schwert und befahl mir umzukehren. Nur die leise, beharrliche Stimme in meinem Kopf gab keine Ruhe. Komm zu mir. Komm zu mir. Komm zu mir.
    Und ich war unfähig, mich dagegen aufzulehnen.
    Ich konnte meinem Herzen nicht befehlen, es solle aufhören zu schlagen. Ich konnte nicht einfach aufhören zu atmen und damit sterben. Ebenso wenig konnte ich diesen Ruf überhören. Ich stand allein in der Nacht, gefangen und gelähmt vom Willen eines anderes Mannes. Mir ging ein nüchterner Gedanke durch den Kopf, der mir sagte: »Nun, da siehst du, wie es Will und den anderen beiden ergeht und wie sie von Galen durch einen Gabenbefehl gezwungen wurden, treue Anhänger Edels zu sein.« Dieser Befehl ließ sie zwar nicht

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