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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wird behauptet, dass die, die von ihr Gebrauch machen mit der Zeit zahlreiche Wesenszüge ihres Geschwistertiers annehmen. Einige der schaurigsten Märchen berichten, dass man mit der Alten Macht die Fähigkeit erwirbt, die Gestalt dieses Tieres anzunehmen. Solche, die großes Wissen über diese Magie verfügen, haben mir versichert, dass es sich keineswegs so verhält. Es stimmt, dass Menschen mit der Alten Macht unter Umständen und ohne es zu merken sich einige Verhaltensweisen ihrer Geschwistertiere angewöhnen. Aber wer mit einem Adler verschwistert ist, dem werden nicht plötzlich Flügel wachsen, und wer sich einem Pferd verbindet, wird nicht anfangen zu wiehern. Im Laufe der Zeit gelangt er jedoch zu einem immer tieferen Verständnis seines Geschwistertiers, und je länger ein Mensch und ein Tier verschwistert sind, desto größer werden die Ähnlichkeiten in Mimik, Gebärden und Denken. Dabei ist es nicht nur der Mensch, der sich dem Tier angleicht, sondern auch das Tier, das die Wesensmerkmale des Menschen annimmt. Dies geschieht aber nur nach einer langen Zeit des intensiven Kontakts.
     
    Nik teilte Burrichs Ansicht darüber, wann ein Tag beginnen sollte. Ich erwachte von der Unruhe, als seine Männer die Pferde nach draußen führten. Ein kalter Wind fegte durch die offene Tür. Ringsum in der Dunkelheit regten sich die übrigen Schläfer. Eins der Kinder weinte, weil es so früh geweckt worden war, und die Mutter versuchte es zu beruhigen. Molly, dachte ich und war von plötzlicher Sehnsucht erfüllt. Molly, die unserer Tochter ein Wiegenlied sang.
    Was hat das zu bedeuten?
    Meine Gefährtin hat ein Junges geboren. Weit weg von hier.
    Ich erhielt sofortige Anteilnahme. Aber wer wird jagen, um sie zu ernähren? Sollten wir nicht zu ihnen gehen?
    Rudelherz wacht über sie.
    Natürlich. Ich hätte es wissen müssen. Jener weiß um die Bedeutung des Rudels, auch wenn er es leugnet. Dann ist ja alles gut.
    Während ich aufstand und meine Decken zusammenrollte, wünschte ich mir, ich könnte ebenso abgeklärt sein wie Nachtauge. Ich wusste, Burrich würde alles für Molly und das Kind tun. Es lag in seiner Natur. Ich dachte an die vielen Jahre, die ich in seiner Obhut herangewachsen war. Wie oft hatte ich ihn aus tiefster Seele gehasst, doch heute wusste ich niemanden, der mir als Beschützer meiner kleinen Familie lieber gewesen wäre - außer mir selbst. Trotz allem wünschte ich mir in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als dass es der Pilgerfrau endlich gelingen möge, ihr Kind zu beruhigen. Mich plagten hämmernde Kopfschmerzen, und ich büßte damit wohl für mein Lauschen mit der Gabe in der Nacht.
    Essen schien das geeignete Mittel zu sein, das Kind zum Schweigen zu bringen, denn sobald die Kleine ein Brot und ein Stück Honigwabe hatte, war sie ruhig. Unser Frühstück nahmen wir zwischen Tür und Angel ein. Ich sah, wie steif und mühsam Krähe sich bewegte, und brachte ihr einen Becher heißen Tee, um den sie ihre knotigen Finger legen konnte, während ich ihr Bettzeug zusammenlegte. Nie zuvor hatte ich derart von Gicht verunstaltete Hände gesehen; sie erinnerten mich an Vogelkrallen. »Ein alter Freund hat die Erfahrung gemacht, dass Brennnesseln die Schmerzen in seinen Gelenken zu lindern vermögen«, sagte ich zu ihr, während ich das Bündel verschnürte.
    »Du suchst mir Nesseln unter dem Schnee, und ich versuche das Rezept«, erwiderte Krähe unwirsch, doch gleich darauf schenkte sie mir einen Dörrapfel aus ihrem kleinen Lebensmittelvorrat. Ich nahm ihn dankend an. Anschließend lud ich unser Gepäck in den Karren und schirrte das Pferd ein, während sie ihren Tee austrank. Von Nachtauge war nichts zu sehen.
    Auf der Jagd, erhielt ich prompt Bescheid.
    Ich wäre gern bei dir. Viel Glück.
    Sollten wir nicht möglichst wenig sprechen, damit Edel uns nicht hört?
    Darauf antwortete ich ihm nichts. Ein frostklarer Himmel spannte sich über uns, der sich nach dem Eindruck der tiefhängenden Schneewolken von gestern fast überwältigend hell und weit am Horizont erstreckte. Dafür war es kälter als tags zuvor. Der schneidende Wind vom Fluss her schien sich förmlich durch meine Kleider zu arbeiten und seine eisigen Finger in die Öffnungen an Ärmeln und Kragen zu schieben. Ich half Krähe auf den Bock, zog ihr die dicke Reisedecke bis unter die Achseln und stopfte sie fest. »Deine Mutter hat dich gut erzogen, Tom«, meinte sie mit aufrichtiger Freundlichkeit.
    Bemerkungen wie diese

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