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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gern einen Tag zurückgegangen, um etwas Geschehenes zu ändern. Erst wenn die Menschheit sich von der Tyrannei der Zeit befreit hat, kann altes Unrecht ausgemerzt werden, bevor es geschieht.« Sie seufzte. »Ich glaube, dies ist die Zeit für einen solchen Propheten, und meine Studien führen mich zu der Annahme, dass der Weiße Prophet für diese Generation in den Bergen erstehen wird.«
    »Aber du bist allein auf deiner Suche. Sind nicht andere zu der gleichen Erkenntnis gelangt?«
    »Viele andere. Aber wenige, nur sehr wenige machen sich auf die Suche nach einem Weißen Propheten. Das Volk, dem er erscheint, ist der Prüfstein. Andere sollten sich nicht einmischen, damit die Zeit nicht für alle Ewigkeit aus der Bahn gerät.«
    Ich rätselte an dem herum, was sie über die Zeit gesagt hatte, aber je länger ich ihre Worte drehte und wendete, desto weniger wurde ich klug daraus. Krähe verstummte. Ich starrte zwischen die Ohren der Stute und grübelte vor mich hin. Die Zeit zurückdrehen und aufrichtig zu Molly sein. Zurück in der Zeit, um Fedwren dem Schreiber als Lehrling zu folgen, statt Anhänger eines Meuchelmörders zu werden. Sie hatte mir einiges zu denken gegeben.
    Nachtauge gesellte sich kurz nach Mittag wieder zu uns. Auf einmal trabte er getreulich an meiner Seite neben unserem Karren her. Die Schecke warf ihm argwöhnische Blicke zu, verwirrt von Wolfsgeruch und dem Benehmen eines Hundes. Ich spürte zu der Stute hin und beruhigte sie. Erst nach einiger Zeit wurde Krähe auf ihn aufmerksam. Sie beugte sich vor, um an mir vorbeizuspähen, dann lehnte sie sich wieder zurück. »Da ist ein Wolf neben unserem Wagen«, bemerkte sie.
    »Das ist mein Hund. Wenn er auch etwas Wolfsblut in den Adern hat«, erklärte ich beiläufig.
    Krähe beugte sich vor, um noch einmal einen Blick auf ihn zu werfen und schaute anschließend in mein ausdrucksloses Gesicht. »Also nimmt man in Bock dieser Tage Wölfe zum Schafe hüten«, meinte sie und nickte. Mehr sagte sie nicht dazu.
    Wir fuhren den ganzen Tag ohne Halt, und die ganze Zeit über sahen wir keine einzige Menschenseele, nur einmal erblickten wir in der Ferne den Rauch aus dem Schornstein einer einsamen Kate. Die Kälte und der Wind waren unsere treuen Begleiter und immer schwerer zu ertragen, je weiter der Tag sich dem Ende zuneigte. Die Gesichter der Pilger in dem Wagen vor uns wurden blasser, die Nasen röter; eine Frau hatte sogar blaue Lippen. Sie waren zusammengepackt wie Fische im Salzfass, aber auch das schien kein ausreichender Schutz vor der Kälte zu sein.
    Ich bewegte meine Füße in den Stiefeln, um meine Zehen am Leben zu erhalten, und wechselte die Zügel von einer Hand in die andere, um einmal die linke, dann die rechte in der Achselhöhle zu wärmen. Meine Schulter schmerzte, und der Schmerz zog sich den Arm hinunter bis in die Fingerspitzen. Meine Lippen waren trocken, aber ich wagte nicht, sie anzufeuchten, damit sie in der Kälte nicht aufsprangen. Wenige Dinge wirken so zermürbend wie andauernder Frost. Und was Krähe anging: Für sie musste es die reine Folter sein. Sie beklagte sich nicht, aber im Lauf des Tages schien sie in ihrer Decke immer kleiner zu werden, und ihr Schweigen war ein weiteres Zeichen dafür, wie sehr sie litt.
    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ließ Nik uns von der alten Chaussee auf einen Seitenpfad abbiegen, der unter dem Schnee bis auf wenige herausragende Grasspitzen kaum zu erkennen war. Nik schien den Weg jedoch gut zu kennen. Die berittenen Schmuggler setzten eine Spur für uns. Trotzdem musste Krähes kleine Schecke sich mächtig ins Geschirr legen, um den Karren vorwärts zu bewegen. Einmal warf ich einen Blick zurück und sah, wie der Wind unsere Spur sogleich wieder verwehte, bis nichts mehr zu sehen war als eine leichte Unebenheit in der verschneiten Landschaft.
    Nach einiger Zeit erreichten wir den Kamm eines flachen Hügels und blickten von dort auf eine Ansammlung von Gebäuden hinunter, die von der Straße aus nicht zu sehen gewesen waren. Es dämmerte. Hinter einem Fenster brannte ein Licht. Als unser Zug sich in Richtung des Anwesens in Bewegung setzte, wurden weitere Kerzen angezündet, und Nachtauge witterte Holzrauch. Man hatte uns offenbar erwartet.
    Die Gebäude waren nicht alt. Sie sahen eher so aus, als wären sie erst kürzlich fertiggestellt worden. Wir führten die Wagen samt Gespann in die große Scheune hinunter, die zur Hälfte im Hügel und unterirdisch angelegt war, so dass nur die

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