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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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treten. Merle, wie konntest du mir das antun? Weshalb war ich nur ein solcher Dummkopf? Weshalb habe ich nicht den Mund gehalten?«
    Nun sah Merle ebenso verletzt aus wie der Narr. Sie erhob sich steif, und als sie erneut zur Rede ansetzte, wirkte ihre Stimme ganz kalt. »Ich wollte nichts anderes, als dir helfen. Dir helfen zu tun, was du tun musst.« Hinter ihr flog durch einen Windstoß die Tür auf. »Die Frau hat ein Recht zu wissen, dass ihr Gemahl noch am Leben ist.«
    »Von welcher Frau ist die Rede?«, fragte eine weitere eisige Stimme. Zu meiner Bestürzung erschien Kettricken auf der Schwelle, dicht gefolgt von Chade. Kettricken betrachtete mich mit einem durchbohrenden Blick. Ihr Gesicht war von Gram gezeichnet, hatte in ihren Mundwinkeln tiefe Kerben eingegraben und ihre Wangen ausgehöhlt. Und jetzt loderte außerdem Zorn in ihren Augen. Der kalte Windstoß, der mit ihr hereinfegte, brachte mir nur einen kurzen Augenblick Kühlung, dann schloss sich die Tür und meine Augen wanderten von einem vertrauten Gesicht zum nächsten. Ich fühlte mich bedrängt von starren Mienen und kalten Augen. In keinem Gesicht ein Lächeln. Keine Willkommensfreude, nur die aufgebrachten Gefühle in Folge der von mir ausgelösten Veränderungen. Das war die Begrüßung für den Wandler. Niemand schien irgendwelche freundlichen Gefühle für mich zu hegen.
    Niemand, außer Chade. Während er mit langen Schritten den Raum durchquerte, zog er seine Reithandschuhe aus, und als er die Kapuze zurückwarf, sah ich, dass sein schlohweißes Haar zu einem Kriegerzopf zurückgebunden war. Er trug ein Lederband um den Kopf, und daran hing in der Mitte der Stirn ein silbernes Medaillon. Darauf war ein Rehbock mit zum Angriff gesenktem Gehörn abgebildet - das Siegel, das Veritas mir gegeben hatte. Merle trat hastig zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Ohne sie zu beachten, ließ er sich mit gekreuzten Beinen neben meinem Bett auf dem Boden nieder. Er griff nach meiner Hand, und seine Augen wurden schmal, als er meine Erfrierungen bemerkte. »O mein Junge, mein Junge, ich habe geglaubt, du wärst tot. Als von Burrich die Nachricht kam, er hätte deine Leiche gefunden, dachte ich, mir bräche mein Herz. Und dass wir uns im Bösen getrennt hatten... Aber hier bist du ja, lebendig, wenn auch nicht gesund.«
    Er beugte sich vor und küsste mich. Die Hand, die an meiner Wange lag, war schwielig. Chades Pockennarben konnte man auf seiner vom Wetter gegerbten Haut kaum noch erkennen. Ich schaute in seine Augen und las darin wahres Glück und Wiedersehensfreude. Mir kamen fast die Tränen, als ich ihn fragte: »Würdest du mir wirklich meine Tochter wegnehmen, um sie auf den Thron zu setzen? - Noch ein Bastard aus dem Hause Weitseher... Willst du denn, dass man sie benutzt, wie man uns benutzt hat?«
    Seine Augen veränderten sich, und sein Mund verhärtete sich. »Ich werde tun, was immer nötig ist, um wieder einen ehrenhaften Weitseher auf den Thron der Sechs Provinzen heben zu können. Getreu meinem Schwur. Einem Schwur, den auch du geleistet hast.« Unsere Blicke trafen sich.
    Die Verzweiflung schnürte mir die Kehle zu. Chade liebte mich. Schlimmer noch, er glaubte an mich. Er glaubte, ich besäße die gleiche Kraft und das gleiche hingebungsvolle Pflichtbewusstsein, die immer das Leitmotiv seines Lebens gewesen waren. Diese Selbstverständlichkeit bereitete mir schlimmere Qualen, als selbst Edels abartiges Gehirn sie auszubrüten vermochte. Sein Glaube an mich war so unerschütterlich, dass er nicht zögern würde, mich jeder Gefahr auszusetzen, jedes Opfer von mir zu verlangen. Ein trockenes Schluchzen schüttelte mich, wobei der Pfeil in meinem Rücken sich schmerzhaft bemerkbar machte. »Es nimmt einfach kein Ende!«, klagte ich. »Dieser Schwur wird mich bis ins Grab verfolgen. Wäre ich doch tot! Lasst mich sterben!« Ich entriss Chade meine Hand und verdrängte den Schmerz, den diese Bewegung verursachte. »Lass mich!«
    Chade zuckte nicht mit der Wimper. »Er glüht vor Fieber«, sagte er vorwurfsvoll zu dem Narren. »Er weiß nicht, was er sagt. Du hättest ihm Weidenrindentee geben sollen.«
    Ein furchtbares Lächeln krümmte die Mundwinkel des Narren, doch bevor er Gelegenheit hatte zu antworten, wurden wir alle von einem scharfen, reißenden Geräusch erschreckt. Ein grauer Kopf schob sich durch die Fensterbespannung aus Pergament, und seine gekräuselten Lefzen entblößten weiße, scharfe Zähne. Als daraufhin gleich der übrige

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