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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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drängte Merle so energisch herein, dass Krähe mit einem überraschten Ausruf zurückwich. Merle schob sich an ihr vorbei ins Haus und schüttelte den Schnee von Haube und Umhang. Dabei warf sie dem Narren einen triumphierenden Blick zu. Der Narr erwiderte ihn mit einem liebenswürdigen Nicken, als hätte er sie erwartet; dann wandte er sich ohne ein Wort zu verlieren wieder seiner Schnitzerei zu. Das kämpferische Funkeln in Merles Augen wurde hitziger, und ich spürte, dass sie einen Trumpf im Ärmel hatte, den sie sich auszuspielen freute. Sie schloss die Tür und fegte in den Raum wie der Nordwind persönlich. Neben meinem Bett ließ sie sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. »Endlich, Fitz. Ich bin so froh, dich wiederzusehen. Krähe hat mir gesagt, dass du verwundet bist. Ich hätte dich schon früher besucht, doch man hat mir jedes Mal den Zutritt verwehrt. Wie geht es dir heute?«
    Ich bemühte mich, meine Gedanken zu ordnen. Wenn sie sich doch nur langsamer bewegen und leiser sprechen würde! »Es ist zu kalt hier drin«, beschwerte ich mich launisch. »Und mir ist mein Ohrring abhandengekommen.« Sein Verlust war mir erst an diesem Morgen aufgefallen, und er lag mir schwer auf der Seele. Mir war nicht ganz klar, weshalb mir das Schmuckstück so wichtig war, aber ich musste ständig darüber nachgrübeln, wo ich es verloren haben könnte. Vielleicht war ja nicht allein das Fieber für meine Kopfschmerzen verantwortlich.
    Merle streifte ihre Fäustlinge ab. Eine Hand war noch immer verbunden, die andere legte sie an meine Stirn, was mir wohltuende Kühlung brachte. »Er glüht ja!«, warf sie dem Narren vor. »Hast du nicht Verstand genug, ihm Weidenrindentee zu geben?«
    Der Narr schabte einen weiteren Kringel vom Holz. »Eine volle Kanne steht da noch - neben deinem Knie, falls du sie nicht umgestoßen hast. Wenn du ihm noch einen Schluck davon einflößen kannst, nur zu.« Die Antwort wurde von einem weiteren Holzkringel begleitet.
    »Das scheint mir nicht besonders schwer«, entgegnete Merle spitz. Dann wandte sie sich mir in weit freundlicherem Ton zu und beruhigte mich: »Dein Ohrring ist nicht verlorengegangen. Schau her, hier habe ich ihn.« Sie brachte ihn aus dem Beutel an ihrem Gürtel zum Vorschein. Ein kleiner Teil meines Verstandes war noch klar genug, um festzustellen, dass sie die warme Kleidung des Bergvolks trug. Ihre Hände waren kalt und etwas rau, als sie mir den Schmuck wieder am Ohrläppchen anbrachte.
    »Woher hast du ihn?«, fiel es mir ein zu fragen.
    »Ich bat Krähe, ihn mir zu bringen«, gab Merle freimütig Auskunft. »Als er dort mich nicht zu dir lassen wollte. Ich brauchte also etwas, ein Pfand, um Kettricken zu beweisen, dass ich die Wahrheit sagte. Ich bin heute bei ihr gewesen und habe mit ihr und ihren Ratgebern gesprochen.«
    Der Name der Königin riss mich plötzlich aus meinem Dämmerzustand. »Kettricken! Was hast du getan?«, rief ich bestürzt. »Was hast du ihr erzählt?«
    Merle schaute mich erstaunt an. »Nun, was sie wissen muss, damit sie dich bei deinem Vorhaben unterstützt. Ich habe ihr erzählt, dass du wirklich noch am Leben bist. Dass Veritas nicht tot ist. Dass man Molly eine Nachricht senden muss, damit sie nicht verzagt, sondern guten Mutes wartet, bis du zurückkehrst. Dass...«
    »Ich habe dir vertraut!«, rief ich aus. »Ich habe dir meine Geheimnisse anvertraut, und du hast mich verraten. Was für ein Narr ich gewesen bin!« Ich war voller Verzweiflung. Alles, alles war verloren.
    »Nein, ich bin hier immer noch der Narr«, mischte sich der Narr selbst in unser Gespräch. Er kam hinter seinem Werktisch hervor, trat zu mir ans Bett und schaute mich an. »Umso mehr, weil ich glaubte, du würdest mir vertrauen«, fuhr er fort, und ich hatte ihn noch nie so bleich gesehen. »Dein Kind. Ein echter Spross aus dem Geschlecht der Weitseher.« Seine flackernden gelben Augen huschten von Merle zu mir. »Du weißt, was eine solche Neuigkeit mir bedeutet. Weshalb? Weshalb hast du mich dann angelogen?«
    Ich wusste nicht, was schlimmer war: Die schmerzliche Enttäuschung in den Augen des Narren oder der triumphierende Blick, den Merle ihm zuwarf.
    »Ich musste lügen, um das Kind zu schützen. Es ist meine Tochter, meine und Mollys. Sie soll umsorgt und geliebt aufwachsen, in der Obhut ihrer Eltern, und nicht das Werkzeug irgendeines Königsmachers sein. Und Molly soll nicht von einem Fremden erfahren, dass ich noch lebe. Ich will selbst vor sie hin

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