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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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er.
    »Alles über den Wandler und den Weißen Propheten.«
    Er schnaubte durch die Nase. »Ich weiß gar nichts darüber, ich hatte nur einiges gelesen. Du musst dabei bedenken, dass wir vor deinem Auftauchen und der Abdankung deines Vaters noch verhältnismäßig ruhige Zeiten hatten. Über viele Jahre hinweg bedurfte der König nur selten meiner Dienste. Ich hatte Zeit zum Schriftstudium und zahlreiche Bezugsquellen für Schriften aller Art. So kam es, dass ich auf einige der fremdländischen Geschichten und Aufzeichnungen stieß, die von einem Wandler und einem Weißen Propheten berichten.« Seine Stimme wurde milder, als hätte er den anklagenden Ton meiner Frage bereits vergessen.
    »Erst nachdem der Narr am Hof von Bocksburg aufgetaucht war und ich auf Umwegen von seinem großen Interesse an solchen Mythen erfahren hatte, wurde mein Ehrgeiz geweckt. Du selbst hast mir gegenüber einmal erwähnt, dass er dich den Wandler genannt hätte. Ich wurde nachdenklich, doch um die Wahrheit zu sagen: Ich gebe nicht viel auf Prophezeiungen.«
    Ich ließ mich vorsichtig zurücksinken. Nicht mehr fern der Freudentag, wenn ich wieder auf dem Rücken schlafen konnte. Vorläufig drehte ich mich auf die Seite, stieß die Stiefel von den Füßen und zog mir die Decke bis unters Kinn.
    »Fitz?«
    »Was ist?«
    »Kettricken ist über dich verärgert. Rechne morgen nicht mit ihrer Güte und Geduld. Aber denke daran, sie ist nicht nur unsere Königin. Sie ist eine Frau, die ein Kind verloren hat und seit einem Jahr um ihren Gemahl bangt. Eine Frau, die aus jenem Land, das sie an seiner Seite als Königin regieren sollte, vertrieben wurde und erleben musste, wie diese Ungeheuerlichkeiten ihr bis in die Heimat gefolgt sind. Auch ihr Vater ist begreiflicherweise erzürnt. Er schaut mit dem Blick eines Feldherrn auf die Sechs Provinzen und Edel, und er hat momentan gewiss nichts weniger im Sinn als die Suche nach dem Bruder seines Feindes, - ob Veritas nun tot ist oder lebt. Kettricken ist allein und einsamer, als du oder ich es uns vorstellen können. Ich bitte dich um Verständnis für die Frau. Und um Respekt vor der Königin.« Er schwieg einen Augenblick. »Du wirst morgen beides brauchen. Ich werde dir bei deinem Gespräch mit ihr nicht helfen können.«
    Er redete noch weiter, doch ich hörte nicht mehr zu. Der Schlaf überwältigte mich.
    Seit langem hatten mich keine Gabenträume mehr heimgesucht. Ich weiß nicht, ob wegen meiner körperlichen Schwäche oder weil die dauernde Abschirmung gegen Edels Zirkel auch die Gabe selbst aus meinem Bewusstsein fernhielt. Wie dem auch sei, in dieser Nacht endete meine Schonfrist. Der Traum bemächtigte sich meiner mit solcher Gewalt, als hätte eine große Hand in mich hineingegriffen und mir meine Seele herausgerissen, um sie an einen anderen Ort zu versetzen.
    Dieser andere Ort war eine Stadt, in dem Sinne, dass Menschen dort in sehr großer Zahl zusammenlebten. Sie wirkten jedoch fremdartig, wie aus einer anderen Welt, und auch Bauwerke wie dort hatte ich noch nie gesehen. Sie schienen bis in den Himmel zu ragen und wiesen absonderliche Strukturen auf, als wäre der Stein der Mauern in eine Form gegossen worden. Ich erblickte elegant geschwungene Brücken und kaskadenartige Gärten, die sich zwischen den Gebäuden auf- und abschwangen. Fontänen sprühten spielerisch nach oben, andere Brunnen bildeten stille Teiche. Überall waren farbenfroh gekleidete Menschen unterwegs, zahlreich wie Ameisen.
    Doch ich vernahm kein Geräusch. Es herrschte Totenstille. Ich ahnte die Scharen der Menschen, die glitzernden Springbrunnen, den Duft der Gärten und der sich öffnenden Blüten. Alles erschien ganz deutlich vor mir, doch sobald ich den Blick darauf richtete, war plötzlich alles verschwunden. Mein Verstand erfasste so zwar den feinen Schwung der Brücke, aber meine Augen sahen nur Trümmer, Schutt und Rost. Ich irrte durch dieses Phantom einer Stadt wie ein Gespenst, das nicht wusste, weshalb es dort war oder welche Macht es anzog. Hier war weder hell noch dunkel, weder Sommer noch Winter. Ich befand mich in einem Reich außerhalb der Zeit und rätselte, ob dies die absolute Hölle aus der Philosophie des Narren war oder die ultimative Freiheit.
    Endlich entdeckte ich auf einer der breiten Promenaden weit vor mir eine kleine Gestalt. Einen Mann. Er stemmte sich mit gesenktem Kopf gegen den Wind und hielt den Saum des Umhangs schützend vor Mund und Nase. Ich wusste sofort, dass es Veritas war.

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