Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Netzwerks von Beziehungen zu bedienen, sowohl, um sich entscheidende Informationen zu beschaffen, als auch, um ihre Ressourcen für die Verteidigung, der Küste vernünftig aufzuteilen. Vieles deutet daraufhin, dass er anfangs die Absicht hatte, eine Gestalt im Hintergrund zu bleiben. Seine unverwechselbare Erscheinung machte dies jedoch schwierig, und schließlich gab er alle Versuche der Geheimhaltung auf. Ungeachtet seiner fortgeschrittenen Jahre wurde er so etwas wie ein Held; ein verwegener alter Haudegen, wenn man so will, der zu allen Stunden in Wirtshäusern und Schänken ein und aus ging, Edels Soldaten an der Nase herumführte, ohne Unterlass Nachrichten übermittelte und die Verteidigung an der Küste organisierte. Seine Husarenstücke brachten ihm Bewunderung ein. Unermüdlich beschwor er die Bevölkerung der Sechs Provinzen, den Mut nicht sinken zu lassen und sagte voraus, dass König Veritas und Königin Kettricken zurückkehren würden, um sie vom Joch der Steuern und Kriege zu befreien, unter dem sie zu leiden hatten. Wohl hat man zahlreiche Lieder über seine Taten verfasst, doch der Wahrheit am nächsten kommt der Liedzyklus ›Chade Irrsterns Abrechnung‹ von Königin Kettrickens Hofsängerin Merle Vogelsang.
Was die letzten Tage meines Aufenthalts in Jhaampe angeht, so lässt die Erinnerung mich weitgehend im Stich. Eine tiefe Niedergeschlagenheit ergriff von mir Besitz, die weder die Gesellschaft von Freunden noch der Schnaps zu lindern vermochten. Ich fand nicht die Kraft und nicht den Willen, mich aufzuraffen und diese innere Lähmung abzuschütteln. »Wenn das Schicksal eine große Welle ist, die mich hochheben und gegen eine Mauer schleudern will, ganz gleich, was ich tue oder wie ich mich entscheide, dann ist es sinnlos, überhaupt etwas zu unternehmen. Soll sie doch mit mir nach Belieben verfahren«, erklärte ich eines Abends dem Narren mit großen Worten, wenn auch ziemlich branntweinselig. Er gab keinen Kommentar dazu, sondern fuhr nur fort, mit feinem Sandpapier auf den hölzernen Körperteilen der Wolfsmarionette Fellkonturen anzudeuten. Nachtauge lag wachsam, aber still zu seinen Füßen. Wenn ich trank, schirmte er sich gegen mich ab und verlieh seinem Widerwillen Ausdruck, indem er mich vollständig ignorierte. Krähe im Herdwinkel strickte, wobei sie abwechselnd enttäuscht und missbilligend dreinschaute. Chade saß mir auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne am Tisch gegenüber. Eine Tasse Tee stand vor ihm, und seine Augen waren kalt wie Jade. Unnötig zu erwähnen, dass nur ich allein dem Branntwein zusprach, und das nun schon den dritten Abend in Folge. Ich überprüfte Burrichs Theorie, dass, wenn Alkohol auch nichts zu ändern vermag, er dennoch das Unerträgliche erträglich macht. Für mich schien das allerdings nicht zuzutreffen. Denn je mehr ich trank, um so unerträglicher erschien mir meine Lage, und um so unerträglicher wurde ich meinen Freunden.
Der Tag hatte mir mehr aufgebürdet, als ich ertragen konnte. Chade war endlich gekommen, um mir zu sagen, dass Kettricken mich am nächsten Morgen zu sehen wünschte. Gnädig erklärte ich mich bereit, pünktlich zu erscheinen. Chade konnte mich schließlich auch noch dazu drängen, dort gewaschen, rasiert, sauber gekleidet und nüchtern anzutreten. Momentan erfüllte ich noch keine einzige seiner Bedingungen. Es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um mich mit Chade anzulegen, aber der Alkohol hatte mein Urteilsvermögen so weit getrübt, dass ich es versuchte. Ich stellte ihm aggressive und vorwurfsvolle Fragen, die er jedoch alle gelassen beantwortete. Ja, er hatte vermutet, dass Molly mein Kind unter dem Herzen trug, und ja, er hatte Burrich überredet, sie in seine Obhut zu nehmen. Burrich hatte bereits für Geld und eine Unterkunft gesorgt. Bei ihr einzuziehen, dazu hatte er sich zuerst geweigert. Erst als Chade ihn auf die Gefahren hingewiesen hatte, die Mutter und Kind drohten, falls jemand hinter das Geheimnis kam, hatte er sich dazu bereiterklärt. Nein, Burrich hatte mir von all dem nichts gesagt. Warum nicht? Weil Molly Burrich das Versprechen abgerungen hatte, mir nichts von ihrer Schwangerschaft zu verraten. Und Burrich hatte seinerseits Chade die Bedingung gestellt, dass auch er dieses Versprechen respektierte. Zu Anfang hatte Burrich gehofft, ich würde von selbst dahinterkommen, weshalb Molly gegangen war. Chade gegenüber hatte er geäußert, sobald das Kind das Licht der Welt erblickt hätte,
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