Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
solchen Verbindungen kommt, umso ausgeprägter gestaltet sich der Pfad. Mit der Zeit wird daraus ein Bund, wie der Bund zwischen Mitgliedern eines Zirkels. Andere Gabenkundige können solche Verbindungen wiederum erkennen, wenn sie gezielt danach ausschauen. Oft sind sie eine Hintertür, ein unbewachter Zugang zum Bewusstsein eines Gabenkundigen. Diesmal jedoch würde ich sagen, haben sie von dem Narren Besitz ergriffen, statt von dir.«
Der Ausdruck auf meinem Gesicht veranlasste Krähe, endlich meinen Arm loszulassen. Ich schlüpfte in die Jurte. Im Glutbecken schwelte ein winziges Feuer. Kettricken kniete neben dem Narren und redete leise und beschwörend auf ihn ein. Merle saß blass und regungslos auf ihren Decken und starrte ihn an, während der Wolf in der drangvollen Enge hin und her lief. Sein Fell war nach wie vor gesträubt.
Ich kniete neben dem Narren nieder. Der erste Blick auf ihn erschreckte mich. Ich hatte erwartet, dass er besinnungslos sein würde, doch er lag stocksteif und mit offenen Augen auf seinem Lager. Seine Augäpfel rollten hin und her, als verfolge er einen furchtbaren Kampf, den wir nicht sehen konnten. Ich berührte seinen Arm. Die Härte seiner Muskeln und die Kälte seiner Haut erinnerten an einen Leichnam.
»Narr?«, sprach ich ihn an. Er reagierte auf keinerlei Weise. »Narr!«, rief ich lauter und beugte mich über ihn. Ich schüttelte ihn, behutsam zuerst, dann heftiger. Alles ohne Erfolg.
»Berühre ihn mit der Gabe«, forderte Krähe mich auf. »Aber sei vorsichtig. Falls sie ihn immer noch in ihrer Gewalt haben, bringst du dich ebenfalls in Gefahr.«
Ungern gestehe ich, dass ich einen Augenblick lang zögerte. Sosehr ich den Narren liebte, so groß war meine Angst vor Will. Einen Augenblick und eine Ewigkeit später streckte ich die Hand aus und legte sie auf seine Stirn.
»Hab keine Angst«, beruhigte mich Krähe und fügte dann hinzu, so dass mir das Blut in den Adern erstarrte: »Wenn sie ihn noch haben und festhalten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie die Verbindung zwischen euch nutzen, um sich auch deiner zu bemächtigen. Deine einzige Chance besteht darin, sie aus seinem Bewusstsein zu vertreiben. Nun auf ins Gefecht und nicht lange gefackelt!«
Sie legte die Hand auf meine Schulter, und einen unheimlichen Augenblick lang war es die Hand König Listenreichs, der mir Kraft entzog. Dann gab sie mir einen aufmunternden Klaps. Ich schloss die Augen und spürte die kalte Stirn des Narren unter meiner Hand. Ich öffnete meine Schutzwehren.
Der Gabenfluss nahm mich auf. Ich hatte nur einen Augenblick, um mich zu orientieren. Doch ich war vor Entsetzen gepackt, als ich Will und Burl am äußersten Rand meiner Wahrnehmung spürte. Sie befanden sich über irgendetwas in großer Aufregung. Ich schreckte zurück, als hätte ich einen heißen Ofen berührt und schärfte meine Blickrichtung. Der Narr, der Narr, einzig und allein der Narr. Ich suchte nach ihm, und beinahe fand ich ihn auch. Doch oh, er war seltsam. Und wundersam. Er huschte kreuz und quer umher und entschlüpfte mir wie ein kleiner Goldfisch in einem binsenbewachsenen Teich - oder wie die Flecken, die einem vor den Augen tanzen, wenn man zu lange in die Sonne geblickt hat. Ebenso gut konnte man in einem stillen, mitternächtlichen Tümpel nach dem Spiegelbild des Mondes greifen; dieser luftige Verstand war einfach kaum zu fassen. In einem Augenblick nahm ich seine Schönheit und Einzigartigkeit und bestaunte sie, im nächsten hatte ich bereits alles wieder vergessen. Dann - und es war wie im Spiel mit den verschiedenfarbigen Steinen - wusste ich, was ich tun musste. Statt den Versuch zu machen, den Narren einzufangen, kreiste ich ihn ein, umfing alles, was ich von ihm sah und schirmte es ab gegen die Gefahr. Dies erinnerte mich daran, wie ich angefangen hatte zu lernen, mit der Gabe umzugehen. Oft hatte Veritas mir diesen Dienst erwiesen und mir geholfen, wenn die Strömung der Gabe mich über die ganze Welt zu verteilen drohte. Ich diente dem Narren als Halt, während er sich langsam wieder um seinen Mittelpunkt sammelte.
Plötzlich fühlte ich einen kühlen Griff um mein Handgelenk. »Hör auf«, bat er mit schwacher Stimme. »Bitte«, fügte er noch hinzu, und es schmerzte mich, dass er dieses Wort zu gebrauchen glaubte. Ich zog mich aus seinem Bewusstsein zurück, öffnete die Augen und musste einige Male blinzeln. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ich fror und von Kopf bis Fuß mit
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