Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
wahrzunehmen. Hinderten ihn daran, sich selbst zu vergeben.
»Narr!«, rief ich plötzlich aus. Ich lächelte ihn an. Er war entsetzt, dass ich lächeln konnte, ihn anlächeln konnte. »Nein, schon gut. Du hast mir die Antwort gegeben. Du bist die Antwort!« Ich holte Atem und bemühte mich, ganz genau zu überlegen. Immer mit der Ruhe, ganz behutsam, ermahnte ich mich; aber dann wusste ich auf einmal mit absoluter Klarheit, dass hier und jetzt der einzig richtige Zeitpunkt war. Ich entblößte mein linkes Handgelenk und hielt es ihm hin, die Innenseite nach oben gekehrt. »Berühre mich mit der konzentrierten Gabe an deinen Fingern«, sagte ich zu ihm. »Berühre mich und erkenne, ob ich in meinem Innersten glaube, dass du mich verraten hast.«
»Nein!«, rief Krähe voller Angst, doch wie in Trance hatte der Narr bereits nach mir gegriffen. Er umfasste meine Hand mit seiner linken, dann legte er seine drei silbernen Fingerspitzen an mein Handgelenk. Als ich die sengende Kälte spürte, griff ich schnell nach Krähes Hand. »FALKIN!«, rief ich laut. Ich spürte, wie sie sich regte, und zog sie in uns hinein.
Ich war der Narr, und der Narr war ich. Er war der Wandler und ich ebenfalls. Wir waren zwei Hälften eines Ganzen, geteilt und wieder zusammengefügt. Für einen Augenblick erkannte ich ihn vollkommen und magisch in seiner Gesamtheit. Dann löste er sich lachend von mir los, wie eine schillernde Seifenblase in meinem Bewusstsein, ganz für sich allein und doch auf geheimnisvolle Weise mit mir verbunden.
Du liebst mich! Ich konnte es nicht fassen. Er hatte bis jetzt daran gezweifelt. Vorher waren es immer nur Worte, und ich glaubte, Mitleid dahinter zu erkennen. Aber du bist wirklich mein Freund. Dies ist nun Gewissheit. Dies ist fühlen, was du für mich fühlst. Dies ist also die Gabe. Für einen Augenblick schwelgte er in der reinen Lust der Erkenntnis.
Plötzlich bekamen wir Gesellschaft. Ah, kleiner Bruder, entdeckst du endlich deine Ohren? Mein Fleisch soll dein Fleisch sein, und wir sind Rudelgefährten für immer!
Der Narr zuckte vor der stürmischen Freundlichkeit des Wolfs zurück. Ich glaubte schon, er würde den Kreis zerbrechen, aber stattdessen wagte er sich näher heran. Dies? Dies ist Nachtauge? Dieser mächtige Kämpfer, dieses großen Herz?
Wie soll ich diesen Augenblick beschreiben? Nachtauge war so lange schon Teil meines Lebens und mir so nahe, dass ich staunte, wie wenig der Narr von ihm wusste.
Haarig? So hast du mich gesehen? Haarig und sabbernd?
Ich bitte um Vergebung. Die Antwort des Narren war durchaus ernst gemeint. Es ehrt mich, dich zu sehen, wie du in Wahrheit bist. Ich hatte nicht solche Größe in dir erwartet. Ihre gegenseitige Bewunderung war beinahe etwas zu viel des Guten.
Dann beruhigte sich die Welt um uns. Wir haben eine Aufgabe , erinnerte ich sie. Der Narr nahm die Fingerspitzen von meinem Handgelenk und hinterließ drei silberne Abdrücke auf meiner Haut. Selbst noch die Luft lastete zu schwer auf diesen Malen. Für kurze Zeit war ich an einem anderen Ort gewesen. Nun befand ich mich wieder in meinem eigenen Körper. Alles hatte nur wenige Sekunden gedauert.
Ich wandte mich wieder an Krähe. Es war anstrengend, wieder nur durch meine Augen zu sehen. »Falkin?«, fragte ich behutsam. Sie hob den Blick. Ich glaube nicht, dass sie von der haarfeinen Brücke der Gabe zwischen uns etwas ahnte. In dem kurzen Moment ihres Erschreckens, als der Narr mich berührte, war ich durch ihre Abwehr geschlüpft. Die Verbindung war zu dünn, als dass man sie ein Band hätte nennen können, doch jetzt wusste ich, wodurch ihre Gabe erstickt wurde. »Dieses Schuldgefühl, die Scham, die Reue, die du mit dir herumträgst, Falkin - verstehst du nicht? Damit haben sie dich geschlagen. Und du hast das Deine dazugetan. Die Mauer hast du selbst errichtet. Reiß sie nieder. Vergib dir selbst. Komm heraus aus deinem eigenen Gefängnis.«
Ich umfing das Handgelenk des Narren und hielt ihn neben mir fest. Irgendwo fühlte ich auch Nachtauge. Sie befanden sich jetzt jeweils wieder in ihrem eigenen Bewusstsein, aber ich konnte sie ohne Mühe erreichen. Ich zog langsam und vorsichtig Kraft von ihnen ab. Ich nahm von ihrer Kraft und Liebe und leitete sie durch den winzigen Riss in Krähes Panzer.
Vereinzelte Tränen rollten über ihre runzligen Wangen. »Ich kann nicht. Das ist das Schlimmste - ich kann es nicht. Sie haben meine Gabe ausgebrannt, um mich zu bestrafen, aber es war nicht
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