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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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der ausdrückte, dass jeder Ochse darauf gekommen wäre. Er reichte mir einen Teller mit Fleisch und einen Becher Tee. »Wie würdest du dich fühlen, wenn du solche Strapazen auf dich genommen hättest, nur damit dein Ehegespons sich eine andere aussucht, die ihm bei seiner Arbeit helfen soll? Er und Krähe schwatzen wie die Marktweiber miteinander. Dabei hämmern und meißeln sie in einem fort. Ich nahm an, bei Sonnenuntergang würden sie aufhören. Das war die einzige Gelegenheit, bei der sich Veritas kurz an Kettrickens Anwesenheit erinnerte. Er bat sie, Holz zu holen und ein Feuer zu machen, damit sie Licht hätten, um weiterzuarbeiten. Ach ja, und ich glaube, er hat ihr erlaubt, ein oder zwei Meißel für ihn zu schärfen.«
    »Und Merle? Was tut sie?« Ich wollte nicht daran denken, wie es in Kettricken aussehen mochte.
    »Sie arbeitet an einem Lied über Veritas’ Drachen. Ich denke, sie hat die Hoffnung aufgegeben, wir zwei könnten je etwas Bemerkenswertes zustande bringen.«
    Ich lächelte in mich hinein. »Sie ist nie an Ort und Stelle, wenn ich etwas Bemerkenswertes tue. Was wir heute vollbracht haben, Narr, das war allerdings besser als jede noch so ruhmreiche Schlacht. Aber das wird sie nie begreifen.« Ich neigte lauschend den Kopf in Richtung der Jurte. »Ihre Harfe tönt weicher, als ich es in Erinnerung habe.«
    Zur Antwort hob der Narr die Augenbrauen und wackelte bedeutungsvoll mit den Fingern.
    Ich stöhnte. »Was hast du getan?«
    »Experimentiert. Ich glaube, falls ich all das hier überlebe, wird man über meine Marionetten bald Wunderdinge zu berichten wissen. Ich hatte schon immer die Fähigkeit, ein Stück Holz anzuschauen und zu sehen, was darin verborgen ist. Diese hier«, wieder bewegte er die Finger mit den silbernen Spitzen, »machen es noch um vieles einfacher.«
    »Sei vorsichtig«, warnte ich ihn.
    »Ich? Ich kenne keine Vorsicht. Ich kann nicht sein, was ich nicht bin. Wohin gehst du?«
    »Mir den Drachen ansehen«, erwiderte ich. »Wenn Krähe daran arbeiten kann, dann kann ich es auch. Ich mag weniger stark in der Gabe sein, aber ich war erheblich länger mit Veritas verbunden.«

KAPITEL 36
    DIE ALTE MACHT UND DAS SCHWERT
    D ie Outislander haben von jeher Raubzüge an die Küste der Sechs Provinzen unternommen. Tatsächlich war der Stammvater des Geschlechts der Weitseher nichts anderes als ein Pirat, der den Geschmack am Seefahrerleben verloren hatte. Nehmer überwältigte mit seiner Besatzung die ursprünglichen Erbauer der Palisadenfestung an der Mündung des Bocksflusses und blieb gleich da. Über mehrere Generationen hinweg wuchsen die schwarzen Mauern und Türme von Bocksburg in die Höhe, und die Piraten von den Äußeren Inseln wurden sesshafte Bewohner eines geordneten Staatswesens unter einem der ihren als König.
    Handel, Plünderungen und Piraterie existierten schon immer Seite an Seite zwischen den Sechs Provinzen und den Äußeren Inseln, aber das Auftauchen der Roten Schiffe markiert einen Wendepunkt in dieser zwischen Aggressivität und nüchternem Kaufmannsdenken pendelnden Beziehung. Sowohl die Grausamkeit der Raubzüge als auch die angerichteten Verwüstungen waren ohne Beispiel.
    Die treibende Kraft hinter den Roten Korsaren vermutete man in einem auf den Inseln an die Macht gekommenen Häuptling, der eine blutrünstige Religion der Rache predigte. Seine fanatischsten Anhänger wurden Piraten und bildeten die Mannschaften seiner Roten Schiffe; andere, zuvor unabhängige Stämme wurden gezwungen, ihm Gefolgschaft zu schwören, ansonsten drohte den Widerspenstigen und ihren Familien die Entfremdung. Dieser Häuptling und seine Korsaren suchten mit ihrem hemmungslosen Hass die Küsten der Sechs Provinzen heim. Falls er außer Mord, Vergewaltigung und Zerstörung je noch eine andere Absicht hegte, so ließ er diese zumindest nicht erkennen. Sein Name war Kebal Steinbrot.
     
    »Ich kann nicht verstehen, weshalb Ihr mich zurückweist«, sagte ich steif.
    Veritas unterbrach sein beharrliches Meißeln an dem Drachen, aber anstatt sich zu erheben und mich anzusehen, beugte er sich noch tiefer hinab, um Splitter und Steinstaub wegzuwischen. Ich konnte kaum glauben, welche Fortschritte er gemacht hatte. Die ganze bekrallte Tatze des Drachen ruhte nun auf dem Sockel. Noch fehlte die detaillierte Ausarbeitung wie an der übrigen Skulptur, aber das gesamte rechte Bein war bereits vollständig vorhanden. Veritas legte geduldig seine sorgsame Hand auf eine der Zehen und

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