Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
drein, erhob jedoch keine weiteren Einwände. Burrich nahm das Kind, dann bückte er sich nach seinem Schwert und hob es auf.
Molly funkelte Rotbart an. »Du. Stell dich neben ihn. Burrich, geh mit Nessel nach draußen. Bring sie zu der Stelle, wo wir gestern Minze gepflückt haben. Wenn sie mich zum Äußersten zwingen, will ich nicht, dass sie es sieht. Sonst wird sie später diejenigen fürchten, die ihre Dienerinnen sein sollen.«
Burrich gehorchte. Von allen Ereignissen, deren Zeuge ich in dieser Nacht gewesen war, erschien mir das am bemerkenswertesten. Sobald er draußen war, ging Molly Schritt für Schritt rückwärts zur Tür. »Wagt nicht, uns zu folgen«, warnte sie. »Meine kleinen Schwestern werden für mich Wache halten!« Ein letztes Mal schüttelte sie den Kasten. Das Brausen im Innern schwoll an, und weitere Bienen entkamen zornig summend aus einem Spalt im Holz. Der Stämmige erstarrte. Rotbart hob das Schwert wie zur Verteidigung.
Der Verwundete stieß einen Schrei aus und kroch zur Seite, als Molly an ihm vorbei nach draußen trat. Sie zog die Tür hinter sich zu, lehnte den Bienenkasten dagegen, klappte den Deckel auf und versetzte dem Kasten noch einen Tritt, bevor sie sich umdrehte und davonlief.
»Burrich!«, rief sie leise. »Ich komme.« Sie wandte sich nicht zur Straße, sondern schlug die Richtung zum Waldrand ein. Sie schaute sich nicht um.
»Es ist genug, Fitz.« Dies war nicht die Gabe, sondern Veritas’ gedämpfte Stimme, die dicht neben mir erklang. »Du hast gesehen, dass sie unversehrt davongekommen sind. Lass sie nun, damit nicht andere durch deine Augen sehen und wissen, wohin sie sich flüchten. Es ist besser, wenn auch du selbst es nicht weißt. Komm zurück.«
Ich schlug die Augen auf und sah das dunkle Innere der Jurte. Nicht nur Veritas, auch Krähe saß neben mir. Krähes Lippen waren wie zu einem Strich zusammengepresst, und sie warf mir böse Blicke zu. Veritas’Miene war streng, doch auch verständnisvoll. Er sprach, ehe ich mich besonnen hatte.
»Müsste ich glauben, du hättest das mit Absicht getan, wäre ich sehr zornig auf dich. Ich sage es dir nun mit aller Deutlichkeit: Es ist besser, wenn du nichts von ihnen weißt. Hättest du gleich beim ersten Mal auf mich gehört, wäre so etwas wie heute Nacht gar nicht erst vorgefallen.«
»Ihr habt es beide miterlebt?«, fragte ich. Einen Augenblick lang war ich gerührt. So großen Anteil nahmen sie am Schicksal meiner Tochter.
»Sie ist auch meine Erbin«, erinnerte Veritas mich schonungslos. »Glaubst du, ich hätte so einfach geduldet, dass sie ihr etwas antun?« Er schüttelte den Kopf über mich. »Halte dich fern von ihnen, Fitz. Um unser aller willen. Hast du verstanden?«
Ich nickte. Seine Worte trafen mich nicht, denn ich hatte ohnehin beschlossen, dass ich nicht wissen wollte, wo Molly und Burrich Nessel hinbrachten. Allerdings nicht aus dem Grund, weil sie Veritas’ Erbin war. Krähe und Veritas standen auf und verließen die Jurte, und ich ließ mich wieder auf meine Decken sinken. Der Narr, der auf einen Ellbogen gestützt nur ein stummer Zuschauer der ganzen Szene gewesen war, schaute mich an.
»Ich erzähle dir morgen alles«, sagte ich zu ihm.
Er nickte mir schweigend zu. Seine Augen wirkten riesengroß in dem blassen Gesicht. Dann legte er sich ebenfalls wieder hin und war schon nach kurzer Zeit eingeschlafen, während ich in die Dunkelheit starrte. Nachtauge legte sich neben mich. Er beschützt dein Junges wie sein eigenes, bemerkte er. Das ist das Rudel.
Er meinte es tröstlich, aber ich brauchte keinen Trost. Hast du gesehen, wie sie ihnen die Stirn geboten hat?, fragte ich voller Stolz.
Ein sehr tüchtiges Weibchen, stimmte Nachtauge zu.
Mir war, als hätte ich noch kein Auge zugetan, als Merle den Narren und mich zur Wachablösung weckte. Ich trat aus der Jurte, reckte und streckte mich und überlegte, dass unsere nächtlichen Wachen eigentlich Unfug waren. Aber diese letzte Spanne der Nacht war angenehm mild, und von Merle war ein Topf mit heißer Fleischbrühe am Rand des Feuers zurückgeblieben. Ich hatte bereits einen halben Becher davon getrunken, als der Narr sich endlich ins Freie bequemte.
»Merle hat mir gestern Abend ihre Harfe gezeigt«, sagte ich statt eines Morgengrußes.
Er grinste verschmitzt. »Eine Fingerübung, im wahrsten Sinne des Wortes. ›Ach, dies ist aber nur einer seiner frühen Versuche‹, wird man später darüber sagen.«
»Krähe sagt, du seist zu
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