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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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du?«, rief Kettricken, und erst da fiel mir auf, wie lange ich schon vor mich hingeglotzt hatte. Ich beeilte mich, und bei der Skulptur mit dem Mädchen auf dem Drachen hatte ich sie und Nachtauge eingeholt.
    Seit dem Vorfall mit dem Narren hatte ich diesen Ort gemieden. Jetzt hob ich schuldbewusst den Blick zu der Stelle, wo sich der silberne Fingerabdruck deutlich auf der makellosen Haut des Mädchens abzeichnete.
    »Wer warst du, und weshalb hast du ein solch trauriges Bildnis erschaffen?«, fragte ich sie. Doch sie blieb stumm. Nur ihre steinernen Augen über den tränenbenetzten Wangen schauten mich flehend an.
    »Vielleicht konnte sie ihren Drachen nicht vollenden«, vermutete Kettricken. »Siehst du, wie die hinteren Pranken und der Schweif noch mit dem Stein verwachsen sind? Vielleicht ist sie deshalb so traurig.«
    »Sie muss ihn von Anfang an so geplant haben, denn ob sie ihn vollendet oder nicht, der vordere Teil bleibt doch gleich.«
    Kettricken sah mich belustigt an. »Du glaubst immer noch nicht, dass Veritas’ Drache fliegen wird, wenn er vollendet ist? Ich schon. Natürlich ist mir sonst nur noch wenig geblieben, woran ich glauben könnte. Sehr wenig.«
    Mir hatte auf der Zunge gelegen zu sagen, ich hielte es alles für ein Ammenmärchen, doch Kettrickens letzte Worte ließen mich den Mund halten.
    An unseren Lagerplatz zurückgekehrt, band ich meinen Besen und machte mich voller Todesverachtung ans Fegen. Die Sonne stand hoch an einem leuchtend blauen Himmel, und dazu wehte ein lauer Wind. Es war ein ausgesprochen schöner Tag, und eine Zeitlang vergaß ich über meiner anspruchslosen Arbeit alles andere.
    Kettricken lud ihr Feuerholz ab und brach nach einer kurzen Ruhepause erneut auf. Nachtauge begleitete sie, und ich nahm beifällig zur Kenntnis, dass Merle und der Narr ihr mit eigenen Schultersäcken folgten.
    Nachdem die Steinsplitter und der Staub entfernt waren, konnte man deutlicher erkennen, welche Fortschritte Veritas und Krähe inzwischen gemacht hatten. Der schwarze Stein am Rücken des Drachen war so glatt und glänzend, dass er fast das Blau des Himmels widerspiegelte. Ich erwähnte meine Beobachtung Veritas gegenüber, ohne jedoch wirklich mit einer Antwort von ihm zu rechnen.
    Zu meiner Überraschung erhob er sich aus der Hocke und strich mit einer silbernen Hand behutsam über den Rücken des Drachen. Ich hielt den Atem an, denn unter seiner Berührung entstand Farbe. Ein sattes Türkis, jede Schuppe gleichzeitig mit Silber gesäumt, folgte auf die Bewegung seiner Hand, als zöge sie einen Schleier fort. Es dauerte nicht lange, dann verblasste der Schimmer, doch Veritas schien zufrieden zu sein.
    »Wenn der Drache gefüllt ist, wird die Farbe bleiben«, erklärte er.
    Ohne nachzudenken, streckte ich die Hand aus, aber Veritas stieß mich mit der Schulter zurück. »Nicht anfassen«, warnte er mich mit beinahe eifersüchtigem Unterton. Dann bemerkte er wohl die Bestürzung auf meinem Gesicht, denn er fügte erklärend hinzu: »Es könnte für dich gefährlich sein, ihn zu berühren, Fitz. Er ist zu...« Seine Stimme erstarb, und er schaute an mir vorbei ins Leere, als würde er nach Worten suchen. Dann, als hätte er mich von einem auf den anderen Augenblick vergessen, wandte er sich ab, ging wieder in die Hocke und setzte wieder stoisch seine Arbeit an der Tatze des Drachen fort.
    Wenn man wie ein Kind behandelt wird, fühlt man sich oft dazu angestachelt, sich auch dementsprechend zu benehmen. Ich fegte, was noch zu fegen war, stellte den Besen weg und schlenderte davon. Ich war nicht übermäßig erstaunt, als meine Füße wie selbstverständlich den Weg zu der Skulptur mit dem Mädchen auf dem Drachen einschlugen.
    Wieder kletterte ich auf den Sockel, und wieder spürte ich das Strömen der Alten Macht. Sie erhob sich wie ein Nebel und streckte hungrige Arme nach mir aus. So viel in den Stein gebanntes Leid.
    »Ich kann dir nicht helfen«, sagte ich mitleidig zu dem Mädchen und hatte fast das Gefühl, dass meine Worte sie erreichten. Es war zu bedrückend, länger in ihrer Nähe zu sein. Beim Hinuntersteigen von dem Sockel fiel mein Blick zufällig auf etwas, das mich aufschrecken ließ. Um eine der nur halbgeformten Hintertatzen des Drachen hatte jemand den Stein mit einem Meißel bearbeitet. Ich bückte mich nieder, um mir das genauer anzuschauen. Man hatte zwar Splitter und Staub gründlich beseitigt, aber die Ränder der Einkerbung waren eindeutig noch frisch und scharf.

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