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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zurückliegenden Schmerz tauchten die Worte des Gabenmeisters Galen aus meinem Gedächtnis auf. »Wenn ihr schwach seid«, hatte er uns gedroht, »wenn euch Zielstrebigkeit und Disziplin mangeln, wenn ihr verführbar seid und dem Vergnügen zugeneigt, werdet ihr die Gabe niemals beherrschen. Vielmehr wird die Gabe euch beherrschen. Übt euch in Askese und Selbstzucht, kehrt euch ab von allen Verlockungen des Fleisches und dann seid ihr so gestählt vielleicht auch bereit, die Lockung der Gabe zu erfahren und ihr zu widerstehen. Denn erweist ihr euch als unwert und erliegt ihr der Versuchung, dann wird sie euch aufzehren, bis ihr seid wie neugeborene Kinder, ohne Verstand und sabbernd.« Dann hatte er uns entsprechend geschult, mit Entbehrungen und Strafen, die weit über jedes vertretbare Maß hinausgingen. Doch als ich zum ersten Mal die Lust der Gabe erfuhr, war es nicht das billige Vergnügen, das Galen angedeutet hatte. Mir verursachte sie das gleiche Herzklopfen und aufwallende Blut wie manche Musikstücke oder das plötzliche Auffliegen leuchtend bunter Fasane in einem Herbstwald oder auch nur das Glücksgefühl, ein Pferd fehlerlos über einen schwierigen Sprung geführt zu haben. Der Augenblick, wenn alle Dinge im Gleichgewicht sind und in vollkommener Harmonie einhergleiten wie ein kreisender Vogelschwarm am Himmel - das schenkte einem die Gabe, aber mehr als nur für einen Augenblick. Vielmehr währte das Glück so lange, wie die Kraft reichte, und wurde stärker und reiner, je mehr man sich in der Gabe vervollkommnete. Das glaubte ich zumindest. Denn meine eigene Fertigkeit, die Gabe zu gebrauchen, war in dem geistigen Kräftemessen zwischen mir und Galen für immer verstümmelt worden. Die Schutzwälle, die ich infolgedessen um mein Bewusstsein errichtet hatte, waren sogar für einen in höchstem Maß der Gabe Kundigen wie Veritas nahezu unüberwindlich. Und meine eigene Fähigkeit, hinauszudenken, mit der Gabe weitzusehen oder mittels ihrer zu kommunizieren, war mir zu einem recht unzuverlässigen Helfer geworden, so bockig und launisch wie ein übernervöses Pferd.
    Vor der Tür des Turmgemachs blieb ich stehen. Ich atmete tief ein und langsam wieder aus, entschlossen, mich nicht von der düsteren Stimmung überwältigen zu lassen. Es war geschehen, es war vorbei. Sinnlos, gegen etwas aufzubegehren, das nicht zu ändern war. Nach alter Gewohnheit trat ich ein ohne anzuklopfen, damit Veritas nicht in seiner Konzentration gestört wurde.
    Trotz allem erschütterte es mich zu sehen, dass er tatsächlich hier oben war, um von der Gabe Gebrauch zu machen. Die Fensterläden waren geöffnet. Auf den Sims gestützt lehnte sich Veritas hinaus. Der Wind zerwühlte sein schwarzes Haar, Schneeflocken setzten sich auf sein dunkelblaues Hemd und Wams. Er atmete tief und lang und regelmäßig, eine Frequenz irgendwo zwischen sehr tiefem Schlaf und der eines Läufers im Ziel, der allmählich zur Ruhe kommt. Er schien mein Kommen nicht bemerkt zu haben. »Prinz Veritas?«, fragte ich leise.
    Er wandte sich zu mir um, und sein Blick war voller Hitze, Licht, Sturm. Seine Gabe traf mich mit solcher Gewalt, dass ich das Gefühl hatte, aus mir selbst vertrieben zu werden; sein Bewusstsein ergriff so vollständig von mir Besitz, dass kein Raum mehr dafür blieb, um ich selbst zu sein. Einen Moment lang ertrank ich förmlich in Veritas, dann war er aus mir verschwunden, so plötzlich, dass ich taumelte und japste wie ein Fisch, den eine hohe Welle an Land geworfen und auf dem Trockenen zurückgelassen hat. Mit einem Schritt war er bei mir, griff nach meinem Arm und stützte mich.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich habe dich nicht erwartet. Du hast mich überrascht.«
    »Ich hätte an klopfen sollen, Hoheit«, antwortete ich und gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass ich mich gefangen hatte. »Was gibt es dort draußen, dass Ihr so gespannt hinausseht?«
    Er wandte den Blick ab. »Nicht viel. Ein paar Burschen auf den Klippen, die sich die Zeit vertreiben. Dann noch zwei von unseren Fischerbooten, die hinausgefahren sind, um Heilbutt zu fangen. Sogar bei diesem Wetter, wenn auch nicht eben gerne.«
    »Dann haltet Ihr nicht nach Outislandern Ausschau?«
    »Um diese Jahreszeit ist nicht mit ihnen zu rechnen. Aber ich halte Wache.« Er senkte den Blick auf meinen Arm, den er soeben losgelassen hatte, und wechselte das Thema. »Was ist dir zugestoßen?«
    »Deshalb bin ich gekommen, um Euch zu sprechen.

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