Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
dachte ich, es wäre Cub, der einen Machtkampf ausfechten wollte. Ich rollte beiseite, und fast wäre es mir gelungen auf Distanz zu gehen, als ein anderer nach meiner Schulter griff. Es waren Entfremdete, drei Männer, einer jung, zwei groß und früher einmal wohl sehr muskulös. Mein Verstand registrierte alles sehr schnell und genau, als wäre dies eine von Chades Übungen. Einer der Breitschultrigen hielt ein Messer gezückt, die beiden anderen hatten Knüppel. Sie trugen zerrissene und schmutzige Kleider. Ihre Haut war von der Kälte gerötet und schorfig, ihre Bärte verfilzt, ihr Haar struppig. Sie hatten Blutergüsse und Platzwunden im Gesicht - Spuren von Auseinandersetzungen untereinander, oder hatten sie vor mir schon jemanden überfallen?
Ich riss mich los und sprang zurück, um so viel Abstand wie möglich von ihnen zu gewinnen. Das Gürtelmesser war meine einzige Waffe; in der Annahme, es gäbe keine Entfremdeten mehr in der Nähe von Bocksburg, hatte ich mich für eine Situation wie diese nicht gerüstet. Meine Angreifer wichen auseinander und bildeten dann einen Kreis um mich. Dass ich mein Messer zog, schien sie nicht weiter zu kümmern.
»Was wollt ihr? Meinen Umhang?« Ich öffnete die Spange und ließ ihn fallen. Einer folgte ihm mit den Blicken, doch keiner stürzte sich darauf, wie ich gehofft hatte. Ich wandte mich einmal hierhin, einmal dorthin, um sie alle im Auge zu behalten und zu verhindern, dass mir einer von ihnen aus dem Blickfeld geriet. »Handschuhe?« Ich streifte sie ab und warf beide dem Jüngeren zu. Er ließ sie unbeachtet zu Boden fallen.
Noch waren die drei offenbar unschlüssig, bewegten sich hin und her, traten von einem Fuß auf den anderen und beobachteten aus ihren schmalen Augen jede meiner Bewegungen. Keiner war erpicht darauf, den Anfang zu machen. Da war das Messer in meiner Hand. Der Erste, der sich auf mich stürzte, würde den blanken Stahl zu schmecken bekommen. Ich bewegte mich auf eine Lücke in ihrem Kreis zu. Sie rückten nach, um mir den Weg abzuschneiden.
»Was wollt ihr?«, brüllte ich sie an und drehte mich, um sie der Reihe nach anzusehen. Für einen Moment schaute ich einem von ihnen geradewegs in die Augen. Seine Augen waren leer. Nicht einmal Cubs ehrliche Wildheit war darin zu finden, nur das dumpfe Elend von körperlichen Beschwerden und Entbehrungen. Ich starrte ihn an, und er blinzelte.
»Fleisch.« Er stieß es hervor, als hätte ich das Wort aus ihm herausgepresst.
»Ich habe kein Fleisch, überhaupt nichts zu essen. Von mir könnt ihr nichts bekommen, außer einem Kampf!«
»Du«, grunzte einer seiner Spießgesellen und ließ etwas wie ein schnaufendes Lachen folgen, das genauso freudlos wie herzlos klang. »Fleisch!«
Ich stutzte, was ein Augenblick der Unaufmerksamkeit war, denn schon sprang mich einer von hinten an, umschlang meinen Oberkörper und einen Arm, und dann schlug er die Zähne in die Halsbeuge. Ich war das Fleisch, das sie meinten.
Mich erfüllte ein unglaubliches Grauen, und ich kämpfte. Kämpfte wie bei jenem ersten Mal, als Entfremdete mich angegriffen hatten, mit einer rücksichtslosen Brutalität, die ihrer gleichkam. Ich hatte die Auswirkungen des langen Winters auf meiner Seite, denn meine Gegner waren geschwächt von Frost und Entbehrungen. Ihre Hände waren gefühllos und steif vor Kälte, und wenn uns auch allen der unbändige Überlebenswille antrieb, so war dieser bei mir aber noch heiß und stark, ihrer hingegen von der gnadenlosen Härte ihres Daseins als Entfremdete geschwächt. Trotz der Fleischwunde, die mir der erste Angreifer gerissen hatte, riss ich mich von ihm los. Das ist aber alles, woran ich mich noch deutlich entsinnen kann. Der Rest meiner Erinnerung ist verworren, eine Folge unzusammenhängender Schlaglichter. Zwischen den Rippen des Jüngeren zerbrach mir das Messer. Ich erinnere mich an einen Daumen, der sich in mein Auge bohrte, und an das schnappende Geräusch, mit dem er aus dem Gelenk sprang. Während ich mit einem von ihnen rang, drosch ein anderer mit dem Knüppel auf meinen Rücken, bis es mir gelang, seinen Kumpan herumzudrehen, so dass ihn die Schläge trafen. Irgendwie scheine ich den Schmerz der Hiebe nicht wahrgenommen zu haben, und die Fleischwunde an meinem Hals war nur eine warme Stelle, aus der Blut strömte. Meine Begierde, sie alle zu töten, war stärker als mein Selbsterhaltungstrieb. Doch ich war ihnen unterlegen, drei Gegner waren zu viel. Der Jüngere lag zwar im
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