Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
bestand darauf, dass ich hinter ihr den Riegel wieder vorlegte. Ich wollte mich anziehen und sie zu ihrem Zimmer begleiten, aber sie lehnte gekränkt ab und meinte, sie wäre durchaus imstande, allein ein paar Stufen hinaufzugehen, und je weniger man uns zusammen sähe, desto besser. Widerstrebend unterwarf ich mich ihrer Logik. Unmittelbar darauf fiel ich in einen solch abgrundtiefen Schlaf, wie ihn mir kein noch so starker Baldriantee hätte schenken können.
Doch dann rissen mich Donner und Geschrei unsanft aus meinem seligen Schlummer. Ich taumelte benommen und verwirrt aus dem Bett. Und ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass jemand an meine Tür hämmerte. Das Gebrüll stammte von Burrich, der meinen Namen rief. »Einen Augenblick!«, brachte ich mit heiserer Stimme heraus. Alle Knochen taten mir noch weh. Ich warf mir die nötigsten Kleidungsstücke über und kämpfte mit den Tücken von Schloss und Riegel, bis ich endlich die Tür aufmachen konnte. »Was ist los?«
Burrich starrte mich wortlos an. Er war gewaschen und angekleidet und trug zwei Äxte über dem angewinkelten Arm.
»Oh.«
»Auf zu Veritas’ Turmgemach! Beeilung, wir sind schon zu spät. Aber wasch dich erst. Was ist das für ein Geruch?«
»Duftkerzen«, erklärte ich geistesgegenwärtig. »Der Geruch soll erholsame Träume bringen.«
Burrich schnaubte. »Diese Düfte würden mir nicht unbedingt erholsame Träume bringen. Moschus, Junge. Dein ganzes Zimmer stinkt danach. Ich gehe schon vor. Wir treffen uns oben.«
Damit marschierte er zielstrebig den Gang hinunter, während ich mich ins Zimmer zurückwandte und mich an etwas erinnerte. Im Lauf der Jahre hatte ich vergessen, was Burrich unter ›frühmorgens‹ verstand. Ich wusch mich gründlich - aus Zeitmangel mit kaltem Wasser - und kramte frische Kleider hervor. Gerade als ich dabei war mich anzuziehen, klopfte es wieder an der Tür. »Komme schon!«, rief ich, aber das Klopfen hörte nicht auf. Es mochte sein, dass Burrich zornig war. Nun gut, ich war es auch. Er musste doch verstehen, dass der gestrige Tag nicht spurlos an mir vorübergegangen war. Ich riss die Tür auf, um ihm die Meinung zu sagen, als plötzlich der Narr wie Rauch ins Zimmer wehte. Er trug ein neues schwarz-weißes Gewand. Die Ärmel seines Hemdes waren mit schwarzen Mustern von Weinreben bestickt, die sich wie Efeu über den Stoff schlängelten. Über dem schwarzen Kragen erschien sein Gesicht so bleich wie der Vollmond. Das Winterfest. Richtig! Heute war die erste Nacht des Winterfestes. Dieser Winter erschien mir bereits so lang wie fünf andere, aber mit dieser Nacht begann das Ende der dunklen Zeit.
»Was willst du?«, fragte ich kurz angebunden. Ich war nicht in der Stimmung für seine Späße.
Er schnupperte genießerisch. »Etwas von dem, was du gerade hattest, wäre angenehm«, meinte er und wich tänzelnd ein Stück zurück, als er bemerkte, wie mein Gesicht sich sofort verdüsterte. Keine andere Bemerkung wäre besser geeignet gewesen, mich wütend zu machen. Leichtfüßig hüpfte er auf mein zerwühltes Bett und dann auf der anderen Seite wieder hinunter, gerade als ich dazu ansetzte, ihn zu packen. »Aber nicht doch von dir«, verkündete er kokett und wedelte in mädchenhafter Abwehr mit den Händen, bevor er sich wieder ein wenig zurückzog.
»Ich habe keine Zeit für deinen Unfug«, sagte ich verärgert. »Veritas hat mich zu sich Befohlen, und ich kann den Kronprinzen nicht warten lassen.« Ich rollte vom Bett hinunter und zog meine Kleider zurecht. »Hinaus aus meinem Zimmer.«
»Ah, dieser Ton. Es gab noch eine Zeit, als der Fitz einen Scherz besser zur würdigen verstand.« Mitten in einer schnellen Pirouette verharrte er mir zugewandt auf den Zehenspitzen. »Bist du wirklich zornig auf mich?«, fragte er geradeheraus.
Seine Direktheit verblüffte mich. »Ich war es schließlich«, begann ich vorsichtig, weil ich nicht wusste, ob er nicht versuchte mich auszuhorchen, »den du an jenem Tag mit deinem Lied vor allen Leuten zum Narren gemacht hast.«
Er schüttelte den Kopf. »Maße dir keinen Titel an. Nur ich war und bin der Narr. Besonders an jenem Tag, mit diesem Lied, vor all den Leuten.«
»Du hast mich an unserer Freundschaft zweifeln lassen.«
»Ah, gut. Dann zweifle nicht, dass andere an unserer Freundschaft zweifeln müssen, wenn wir nicht verzweifeln wollen.«
»Ich verstehe. Dann war es deine Absicht, die Leute glauben zu machen, wir hätten uns entzweit. Nun gut.
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