Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Weibchen.
Nachtauge reckte sich und gähnte. Sein Schwanz wedelte träge. Mit dem nächsten Atemzug sog ich ihren süßen Duft ein - es war Molly - und spürte, wie mein Körper zum Leben erwachte. Mit geschlossenen Augen lag ich still da und ließ sie herankommen. Ich hörte ihr missbilligendes Zungenschnalzen und dann ein Rascheln, als sie die Schriftrollen aufsammelte und ordentlich auf den Tisch legte. Dann berührte sie scheu meine Wange. »Neuer?«
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mich schlafend zu stellen. Sie setzte sich zu mir aufs Bett. Ich fühlte, wie die Matratze unter ihrem Gewicht nachgab, dann beugte sie sich über mich und legte ihren weichen Mund auf den meinen. Ich streckte die Arme aus und zog sie wie von einem dankbaren Staunen erfüllt an mich. Bis vor kurzem war ich jemand gewesen, in dessen Leben intime körperliche Berührungen Seltenheitswert hatten. Da war einmal ein kameradschaftliches Schulterklopfen oder ein zu fälliges Aufeinandertreffen in einem Gedränge oder aber - in letzter Zeit leider zu häufig - Hände, die versuchten, mich zu erwürgen. Nach all diesem geschah die vergangene Nacht und nun dies. Sie ließ sich auf mein Bett sinken und schmiegte sich an mich. Ich atmete ihren Duft ein, lag still da und spürte genussvoll den Stellen nach, wo ihr Körper den meinen berührte und wärmte. Das Gefühl glich einer schwebenden Seifenblase, und ich wagte kaum zu atmen, damit sie nicht zerplatzte.
Schön, stimmte Nachtauge zu. Nicht mehr so viel Alleinsein. Fast wie im Rudel.
Ich zuckte zusammen und rückte ein Stück von Molly ab.
»Neuer? Was ist?«
Mein. Dies ist mein und gehört nicht zu den Dingen, die ich mit dir teile. Verstehst du?
Du bist selbstsüchtig. Dies ist kein Fleisch, das durch Teilen weniger wird.
»Einen Augenblick, Molly. Ich habe einen Krampf.«
In welchem Glied? Das war eindeutig anzüglich.
Nein, es ist ganz und gar nicht wie Fleisch. Fleisch würde ich genauso wie die Behausung stets mit dir teilen, und ich werde immer herbeieilen, um an deiner Seite zu kämpfen, wenn du mich brauchst. Wir werden immer Jagdgefährten sein. Aber diese Sache hier mit meinem - Weibchen, das geht nur mich an. Ganz allein.
Nachtauge schnaufte und kratzte nach einem Floh. Du ziehst immerfort Grenzen, die es nicht gibt. Das Fleisch, die Jagd, die Verteidigung des Reviers und des Weibchens - das alles ist eine Angelegenheit des Rudels. Wenn sie Junge hat, werde ich nicht jagen, um sie zu ernähren? Werde ich nicht kämpfen, um sie zu schützen?
Nachtauge … Ich kann dir das jetzt nicht erklären. Ich hätte früher mit dir sprechen sollen. Könntest du dich für dieses Mal zurückziehen? Wir reden darüber, ich verspreche es. Später.
Ich wartete. Nichts. Keine Regung mehr von seiner Seite. So weit, so gut. Jetzt der Nächste.
»Neuer? Ist was mir dir?«
»Nein, mir geht es gut. Es ist nur - ich brauche einen Moment Zeit.« Ich glaube, mir ist nie im Leben etwas so schwergefallen. Molly neben mir versteifte sich, ihr ganzer Körper drückte Befremden und Unsicherheit aus, während ich mich darauf konzentrieren musste, meine Grenzen zu definieren, meine Mitte zu finden und meine Gedanken zu zügeln und zu beherrschen. All dessen hatte ich mir zu vergegenwärtigen, und mit diesen Bildern versuchte ich letztlich auch, meinen Körper in seine Schranken zu weisen, damit ich nicht Veritas aus dem Schlaf weckte.
»Ich habe das Gerede gehört«, begann Molly und brach dann unschlüssig ab. »Es tut mir leid, ich hätte nicht kommen sollen. Ich dachte, vielleicht brauchst du … aber was du brauchst, ist vielleicht einfach Ruhe und Alleinsein.«
»Nein, Molly, bitte. Molly, komm zurück, komm zurück«, und ich warf mich quer über das Bett hinter ihr her und bekam den Saum ihres Kleides zu fassen, als sie sich bereits aufmachte zu gehen.
Sie drehte sich sichtlich unschlüssig zu mir um.
»Du bist immer genau das, was ich brauche. Immer.«
Ein zaghaftes Lächeln glitt über ihre Lippen, und sie setzte sich wieder auf die Bettkante. »Du kamst mir so weit entfernt vor.«
»Das war ich auch. Manch mal muss ich meine Gedanken ordnen.« Ich verstummte. Was konnte ich noch sagen, ohne sie weiter anzulügen? Und an lügen wollte ich sie nicht mehr. Ich griff nach ihrer Hand.
»Oh«, sagte sie nach kurzem Warten, als keine weiteren Erklärungen folgten. Damit entspann sich zwischen uns ein unbehagliches Schweigen. »Geht es dir gut?«, fragte sie
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