Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Trotzdem muss ich gehen.«
»Dann lebe wohl. Viel Spaß beim Äxtekreuzen mit Burrich. Soll er dir seine Lektionen einbleuen.« Er legte zwei frische Scheite auf mein zusammengesunkenes Feuer im Kamin und ließ sich mit viel Brimborium davor nieder.
Ich verfolgte sein Getue mit wenig Begeisterung. »Auch wenn wir Freunde sind - ich mag es nicht, wenn sich jemand in meinem Zimmer aufhält, während ich fort bin.«
»Auch ich mag es nicht, wenn andere in mein Zimmer eindringen, während ich fort bin«, revanchierte er sich bedeutungsvoll.
Ich errötete vor Verlegenheit. »Das ist lange her. Und ich entschuldige mich für meine Neugierde. Glaub mir, ich habe es nie wieder getan.«
»Glaub mir, auch ich werde es nie wieder tun nach diesem einen Mal. Und wenn du zurückkommst, werde ich mich entschuldigen. Können wir uns darauf einigen?«
Mir brannte die Zeit unter den Nägeln. Burrich würde sich ärgern, was nicht zu ändern war. Ich setzte mich auf den Rand des zerwühlten Bettes. Molly und ich hatten hier gelegen, wodurch es plötzlich zu einem intimen Ort wurde.
Wie beiläufig zog ich die Steppdecken über die Federbetten. »Weshalb willst du in meinem Zimmer bleiben? Bist du in Gefahr?«
»Wir alle, Firlefitz, wir alle sind in Gefahr. Ich möchte in Ruhe einige Stunden dieses Tages damit zubringen, nach einem Ausweg aus dieser Gefahr zu suchen. Oder wenigstens nach einem Weg, sie zu entschärfen.« Er deutete mit einem Schulterzucken auf die Schriftrollen.
»Veritas hat sie mir anvertraut«, wandte ich voller Unbehagen ein.
»Offenbar, weil er glaubt, du wärst ein Mann, auf dessen Urteil er vertrauen kann. Dann gebietet dir dein Urteilsvermögen vielleicht sicher auch, sie mir anzuvertrauen?«
Es ist eine Sache, einem Freund die eigenen Habseligkeiten zum Gebrauch zu überlassen. Anders sieht es aus, wenn es sich um Dinge handelt, die man von einem Dritten zur Aufbewahrung bekommen hat. Was mich selbst anging, zweifelte ich nicht an der Loyalität und Integrität des Narren. Doch: »Vielleicht wäre es besser, erst Veritas’ Erlaubnis einzuholen«, meinte ich.
»Je weniger Umgang zwischen mir und Veritas herrscht, desto besser für uns beide.«
Ganz entgegen der Gewohnheit des Narren, ließ diese Aussage an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. »Du magst Veritas nicht?« Ich war verdutzt.
»Ich bin des Königs Narr. Veritas ist der Kronprinz. Soll er warten, bis er die Krone trägt. Ist er König, kann er über mich verfügen. Vorausgesetzt, er hat uns bis dahin nicht tatenlos in den Untergang geführt.«
»Ich dulde keine Kritik an Prinz Veritas«, sagte ich warnend.
»Nein? Dann musst du dieser Tage deine Ohren ja fest verschlossen halten.«
Ich ging zur Tür und legte die Hand auf die Klinke. »Wir müssen jetzt gehen. Ich habe schon zu viel Zeit verloren.« Mein Ton war bestimmt. Seine abfällige Rede über Veritas hatte mich so tief getroffen, als wären die Worte gegen mich gerichtet gewesen.
»Spiel nicht den Narren, Fitz. Das ist meine Rolle. Denk nach. Ein Mann kann nur einem Herren dienen. Was dein Mund auch sagen mag, Veritas ist dein König. Ich tadle dich nicht deswegen. Willst du mich tadeln, dass Listenreich der meine ist?«
»Ich tadle dich nicht. Und ich mache ihn auch nicht schlecht vor dir.«
»Dennoch kommst du nicht, um ihn zu besuchen, wie oft ich dich auch dränge, es zu tun.«
»Erst gestern war ich an seiner Tür. Man hat mich abgewiesen. Mir wurde gesagt, ihm sei nicht wohl.«
»Und würde man dich an Veritas’ Tür auf diese Weise abfertigen, würdest du es dir ebenso widerspruchslos gefallen lassen?«
Ich stutzte. »Nein, wahrscheinlich nicht.«
»Und weshalb wendest du dich dann so bereitwillig von ihm ab?« Der Narr sprach leise, bekümmert. »Wes halb ist Veritas nicht die Stütze seines Vaters, statt ihm seine Getreuen abspenstig zu machen?«
»Ich bin nicht abspenstig gemacht worden, vielmehr hat der König es nicht für notwendig erachtet, mich rufen zu lassen oder mich zu empfangen. Was Veritas betrifft, nun, ich kann nicht für ihn sprechen. Doch jedermann weiß, dass Edel derjenige von seinen Söhnen ist, den Listenreich bevorzugt.«
»Jedermann weiß das? Dann weiß auch jedermann, worauf Edels Verlangen in Wahrheit gerichtet ist?«
»Manche schon«, antwortete ich kurz. Wir gerieten langsam auf gefährliches Terrain.
»Dann gebe ich dir hier einiges zum Nachdenken: Beide dienen wir dem König, den wir von Herzen lieben. Doch es gibt einen
Weitere Kostenlose Bücher