Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
gehört.
»Geduld, Geduld«, zischte von drinnen eine Stimme, und wahrhaftig wurde unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt, bis nach umständlichem Hantieren an Riegeln und Schlössern die Tür sich eine Handbreit auftat. Wallace äugte hindurch wie eine Ratte aus ihrem Loch. »Was wollt Ihr?«, fragte er vorwurfsvoll.
»Eine Audienz bei Seiner Majestät.«
»Der König ruht. Oder hat geruht, bis Ihr mit Eurem Hämmern und Rufen gekommen seid. Schert Euch fort!«
»Einen Moment noch.« Ich schob den gestiefelten Fuß in den Spalt. Mit der freien Hand bog ich den Kragen des Wamses auf, unter dem die Rubinnadel steckte, die ich so gut wie immer bei mir hatte. Währenddessen klemmte die Tür meinen Fuß ein, obwohl ich, so gut es ging, die Schulter dagegenstemmte, ohne das beladene Tablett zu gefährden. »Diese Nadel habe ich vor Jahren von König Listenreich bekommen, und er hatte mir damals versprochen, dass, wann immer ich sie vorzeige, würde man mich zu ihm lassen.«
»Auch wenn er schläft?«, fragte Wallace schnippisch.
»Ich kann mich an keine Einschränkungen erinnern. Fühlst du dich berufen, an seinen Worten herumzudeuteln?« Ich musterte ihn finster. Nach kurzem Zögern brach sein Widerstand, und er trat zurück.
»Nun gut, dann kommt herein. Kommt herein und seht Euren König schlafend im Bett liegen, wie er für die Anstrengungen des kommenden Tages Kraft sammelt. Doch weckt Ihr ihn auf, werde ich als sein Heiler ihm nahelegen, Euch dieses hübsche Schmuckstück wegzunehmen und dafür zu sorgen, dass Ihr ihn nie wieder belästigt.«
»Das kannst du halten, wie’s dir Beliebt. Und sollte mein König es wünschen, werde ich auch keinen weiteren Einspruch erheben.«
Mit einer höhnischen Verbeugung gab er mir den Weg frei. Liebend gern hätte ich ihm mit der flachen Hand das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht gewischt, doch ich zwang mich, da rüber hinwegzusehen.
»Wunderbar«, erregte er sich, als ich an ihm vorbeiging. »Gerade nun süßes Gebäck, um seine Verdauung auch noch zu belasten und ihn noch mehr zu schwächen. Wie fürsorglich Ihr seid.«
Ich beherrschte mich. Listenreich befand sich nicht in seinen Wohnräumen. Dann vielleicht im Schlafgemach?
»Ihr scheut Euch nicht, ihn selbst bis dorthin zu verfolgen? Aber weshalb wundere ich mich? Wie Ihr Euch aufführt, kann man nicht erwarten, dass Ihr Rücksicht nehmt auf einen alten, kranken Mann, der der Ruhe bedarf.« Wallaces Stimme war erfüllt von sarkastischer Geringschätzung.
Lass dir das von ihm nicht bieten. Höchste Zeit, ihn in die Schranken zu weisen. Dies war kein Rat von Veritas, sondern ein Befehl. Ich stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch, holte tief Atem und drehte mich zu Wallace herum. »Hast du vielleicht etwas gegen mich?«, fragte ich ihn geradeheraus.
Er trat einen Schritt zurück, bemühte sich aber gleichzeitig, den süffisanten Gesichtsausdruck beizubehalten. »Ob ich etwas gegen Euch habe? Weshalb sollte ich, ein Heiler, etwas dagegen haben, wenn jemand hereinkommt, um einen Kranken zu stören, der endlich Ruhe gefunden hat?«
»In diesem Zimmer stinkt es nach Rauchkraut. Warum?«
Rauchkraut?
Eine Pflanze, die man in den Bergen gebraucht. Selten zu medizinischen Zwecken, außer bei Schmerzen, die durch nichts sonst zu lindern sind. Gewöhnlich jedoch wird der beim langsamen Verbrennen aufsteigende Qualm als Genussmittel eingeatmet. So wie wir zum Beispiel beim Frühlingsfest Carrissamen essen. Euer Bruder hat eine Schwäche dafür.
Genau wie seine Mutter. Falls es sich um das gleiche Kraut handelt. Sie nannte es Freudenblatt.
Es handelt sich um fast das gleiche Kraut, aber die Gebirgsvariante ist höherwüchsig und hat fleischigere Blätter, die stärker wirken.
Der Gedankenaustausch mit Veritas hatte kaum länger als einen Lidschlag gedauert. Informationen lassen sich mit der Gabe so schnell übermitteln, wie man sie nur denken kann. Wallace sann noch mit geschürzter Unterlippe über meine Frage nach. »Behauptet Ihr, selbst ein Medikus zu sein?«, fragte er schließlich mit spitzem Ton.
»Nein. Aber ich kenne mich gut genug mit Kräutern aus, um zu wissen, dass Rauchkraut für einen kranken Menschen schädlich ist.«
Wallace musste sich erst eine Antwort zurechtlegen. »Nun, die Vergnügungen eines Königs sind nicht die Angelegenheit von seinem Medikus.«
»Nun, dann sind sie vielleicht meine Angelegenheit.« Ich nahm das Tablett und stieß die Tür zum Schlafgemach des Königs
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