Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
wünscht.«
»Ich rieche das Meer. Es ist ein klarer Tag, nicht wahr? Hör doch, wie die Möwen einen Sturm herbeischreien … Nein. Nein, schließ das Fenster, Junge. Ich darf mich nicht erkälten, nicht in meinem angegriffenen Zustand.«
Nur widerstrebend leistete ich seiner Aufforderung Folge. »Seid Ihr denn schon lange krank? In der Burg weiß man kaum etwas davon.«
»Lange genug. Ein andauerndes Siechtum. Nicht wirklich krank, aber nie wirklich gesund. Manchmal fühle ich mich etwas besser, doch sobald ich versuche, irgendetwas zu tun, erleide ich einen Rückfall, und es geht mir schlechter denn je. Ich bin diese ständige Leiden müde, mein Junge, ich bin so kraftlos und hinfällig.«
»Habt Mut, Majestät. Dies hier wird Euch erfrischen.« Und damit wrang ich das Tuch aus und wischte ihm behutsam über das Gesicht. Er raffte sich so weit auf, dass er meine Hilfe abwehrte, sich selbst die Hände wusch und dann noch einmal gründlich das Gesicht säuberte. Es bestürzte mich mit anzusehen, wie schmutzig das Wasser wurde, das ihn reinigte.
»Ich habe ein frisches Nachtgewand für Euch. Soll ich Euch helfen, es anzuziehen? Oder möchtet Ihr lieber, dass ein Page eine Wanne und warmes Wasser bringt? Ich kann saubere Laken für das Bett holen, während Ihr das Bad nehmt.«
»Ach, ich habe nicht die Kraft, Junge. Wo steckt dieser Wallace? Er weiß doch, dass ich nicht allein zurechtkomme. Was ist in ihn gefahren, einfach wegzugehen?«
»Ein warmes Bad könnte beruhigend auf Euch wirken«, versuchte ich ihn weiter zu über reden. Der alte Mann roch recht streng. Listenreich hatte immer sehr auf Reinlichkeit gehalten; ich glaube, seine Unsauberkeit bestürzte mich mehr als alles andere.
»Aber beim Baden kann man sich eine Lungenentzündung holen. Sagt Wallace. Ein kalter Luftzug wäre mein Tod. Sagt er.« War dieser verstörte, weinerliche Greis tatsächlich König Listenreich? Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, wenn ich ihn so reden hörte.
»Nun, dann vielleicht nur eine Tasse heißen Tee. Und einen von den kleinen Kuchen. Die Köchin sagte, es wäre Euer Lieblingsgebäck.« Ich goss den dampfenden Tee in die Tasse und sah, wie sich seine Nasenflügel blähten. Er nahm ein, zwei Schlucke, dann setzte er sich auf und Betrachtete den Teller mit den sorgsam angeordneten Törtchen. Auf seine Bitte hin leistete ich ihm Gesellschaft, und als ich mir nach dem letzten Bissen die sahnige Füllung von den Fingern leckte, war mir klar, weshalb er diese kleinen Köstlichkeiten so besonders schätzte. Der König hatte einen zweiten Kuchen halb verzehrt, als dreimal mit Nachdruck an die Tür geklopft wurde.
»Öffne die Tür, Bastard! Oder die Männer, die ich mitgebracht habe, werden sich mit Gewalt Zutritt verschaffen. Und falls meinem Vater auch nur ein Haar gekrümmt wurde, stirbst du auf der Stelle.« Edel schien nicht gut auf mich zu sprechen sein.
»Was soll das bedeuten, Junge? Du hast die Tür verriegelt? Was geht hier vor? Edel, was geht hier vor?« Es tat weh zu hören, wie die brüchige Stimme des alten Mannes sich in Verdrossenheit hineinsteigerte.
Ich ging zur Tür, hob den Querbalken aus der Halterung und legte ihn zurück. Das Öffnen wurde mir abgenommen, denn zwei von Edels stiernackigen Leibwächtern stürmten herein und packten mich zugleich. In ihrer Satinlivree wirkten sie wie Bulldoggen mit einer seidenen Schleife um den Hals. Ich leistete keinen Widerstand. Deshalb hatten sie genaugenommen keinen Grund, mich gegen die Wand zu stoßen, aber sie taten es trotzdem. Das rief wieder jeden einzelnen Schmerz in meinem ohnehin geschundene Körper wach. Sie hielten mich fest, während Wallace ins Zimmer geeilt kam und förmlich mit seinen Händen rang. Nein, wie kalt es im Zimmer war, und tztz, was essen wir denn da, das ist so gut wie Gift in unserem angegriffenen Zustand und so weiter. Edel stand in der Tür und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Er war ganz Herr der Lage und musterte mich aus schmalen Augen.
Das war voreilig, mein Junge. Ich fürchte sehr, dass wir unklug gehandelt haben.
»Nun, Bastard? Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen? In welcher Absicht bist du hier eingedrungen?«, verlangte Edel im Ton eines Vernehmungsrichters zu wissen, als Wallace endlich mit seiner Litanei zu Ende gekommen war. Nicht zu glauben, aber er warf tatsächlich noch ein Stück Holz in das bereits hell lodernde Feuer und nahm dem König die angebissene Pastete aus der Hand.
»Ich
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