Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
werde. War das ein Verrat an dem Vertrauen, das Kettricken mir schenkte? Wann immer mich mein Gewissen packte, stellte ich mich taub. Auch zu meinen Besuchen bei Philia und Lacey nahm ich Veritas mit.
Zudem bemühte ich mich, ihn am Leben seiner Untertanen teilhaben zu lassen. Seit er wieder begonnen hatte, von der Gabe Gebrauch zu machen, bot sich ihm kaum noch Gelegenheit, mit den einfachen Leuten zu verkehren, was ihm früher stets eine Freude gewesen war. Ich nahm ihn mit in die Küche, in die Wachstube, zu den Stallungen und hinunter zu einem Streifzug durch die Tavernen von Burgstadt. Er seinerseits lenkte meine Schritte zu den Bootsschuppen, wo ich zuschaute, wie letzte Hand an seine Schiffe gelegt wurde. Als sie später am Pier vertäut lagen, ging ich dorthin und unterhielt mich mit den Besatzungen, die sich mit den Gegebenheiten an Bord vertraut machten. Ich ließ ihn das Schimpfen der Männer mit anhören, die nicht damit einverstanden waren, dass man einige der Flüchtlinge von den Fernen Inseln in die Mannschaft aufgenommen hatte. Jeder konnte sehen, dass diese Outislander im Umgang mit schnellen Räubern erfahren waren und uns durch ihr Fachwissen halfen, den besten Nutzen aus den Möglichkeiten unserer Schiffe zu ziehen. Es war leider ebenso unübersehbar, dass viele unserer Landsleute den Fremden mit Abneigung und Misstrauen begegneten. Ich war mir nicht sicher, ob Veritas’ Entschluss, sich ihrer zu bedienen, klug gewesen war, doch verschwieg ich meine eigenen Zweifel und beschränkte mich darauf, ihm die schwelende Unzufriedenheit an Bord vor Augen zu führen.
Er begleitete mich auch, wenn ich Listenreich meine Aufwartung machte. Die Erfahrung lehrte mich, meine Besuche auf den späten Vor- oder frühen Nachmittag zu legen. Wallace versuchte mit entnervender Regelmäßigkeit, mir den Zutritt zu verwehren, und immer waren außer mir noch andere Leute anwesend, Dienstmägde, die ich nicht kannte, oder ein Handwerker, der umständlich eine Tür ausbesserte. Ich hoffte ungeduldig auf eine Gelegenheit, unter vier Augen mit ihm über meine Heiratspläne reden zu können. Im Übrigen war der Narr immer anwesend und hielt sein Wort, nichts von unserer Freundschaft nach außen dringen zu lassen. Sein Spott war scharf und treffend, und obwohl ich seine Gründe kannte, brachte er es mehr als ein mal fertig, mich in Verlegenheit zu bringen oder zu ärgern. Das Einzige, was mich mit Befriedigung erfüllte, waren die Veränderungen in dem Raum. Von irgendwoher war Mistress Hurtig etwas über die Zustände in den königlichen Gemächern zu Ohren gekommen.
Mitten im Trubel des Winterfestes rückten Mägde und Knechte in solcher Zahl an, dass mit ihnen ein wenig die Festtagsstimmung in den königlichen Räumen Einzug hielt. Mistress Hurtig, die Fäuste in die Taille gestemmt, stand in der Mitte des Schlafgemachs und dirigierte ihre Truppen; nebenher hatte sie noch genügend Atem, um Wallace mit Vorwürfen zu überhäufen, dass er die Dinge so weit habe kommen lassen, wofür er sich schämen sollte. Offenbar glaubte sie ihm seine Mär, er selbst habe das Saubermachen und Waschen übernommen, um dem König Störungen zu ersparen. Ich verbrachte einen sehr vergnüglichen Nachmittag inmitten des Großreinemachens, denn die Geschäftigkeit weckte Listenreich aus seinem Dahindämmern, und bald war er fast wieder er selbst. Er besänftigte Mistress Hurtig, als diese die Mägde und Burschen zornig zu mehr Arbeitseifer antrieb, und scherzte stattdessen mit den Bediensteten, während die Fußböden gescheuert, frische Binsen ausgestreut und die Möbel mit wohlriechendem Öl poliert wurden. Mistress Hurtig packte einen ganzen Berg aus Decken und Federbetten auf den im Bett liegenden König, während sie gleichzeitig Befahl, sämtliche Fenster zu öffnen und das Zimmer gründlich zu lüften. Auch sie rümpfte die Nase über die aschegefüllten Räuchergefäße. Ich machte den Vorschlag, Wallace mit der Reinigung zu beauftragen, da er am besten wisse, welche Kräuter darin verbrannt worden seien. Er war ein erheblich fügsamerer und umgänglicherer Mann, als er mit den gesäuberten Gefäßen zurückkehrte. Ich fragte mich, ob er überhaupt ahnte, was für eine Wirkung sein Räucherwerk auf Listenreich hatte. Aber wenn er nicht dafür verantwortlich war, wer dann? Der Narr und ich wechselten mehr als einen bedeutungsvollen Blick miteinander.
Das Gemach wurde nicht nur gesäubert, sondern auch mit festlichen Kerzen und
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