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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kränzen geschmückt. Man behängte es mit Immergrün und unbelaubten Zweigen, die vergoldet und mit bemalten Nüssen verziert waren. Dieser Anblick brachte wieder Farbe in des Königs Wangen, und ich spürte Veritas’ wortlose Zustimmung. Als an jenem Abend der König wahrhaftig aus seinen Gemächern hervorkam und sich in der großen Halle von seinen Lieblingsmusikanten aufspielen ließ, betrachtete ich es als einen persönlichen Sieg.
    Einige Momente des zu Ende gehenden Winters gehörten natürlich auch mir allein, und es waren nicht nur meine Nächte mit Molly. So oft es sich bewerkstelligen ließ, stahl ich mich davon, um mit meinem Wolf zu laufen und zu jagen. Aufgrund unserer Verbrüderung waren wir niemals völlig voneinander getrennt, doch ein einfaches gedankliches Band vermochte nicht die tiefe Befriedigung einer gemeinsamen Jagd zu ersetzen. Es ist schwer, die Vollständigkeit von zwei Wesen zu schildern, die wie eins und wie einem gemeinsamen Ziel untergeordnet sind. Bei diesen Gelegenheiten erlebten wir die wahre Erfüllung unseres Bundes. Doch selbst wenn Tage vergingen, ohne dass ich ihn sah, war er bei mir. Seine Gegenwart manifestierte sich wie ein Parfum, das man, wenn es einem zum ersten Mal in die Nase steigt, deutlich wahrnimmt, das dann aber auf Dauer zu einem fast unmerklichen Bestandteil der Luft wird, die man atmet. Er machte sich durch Kleinigkeiten bemerkbar. Mein Geruchssinn wurde schärfer. Wie ich vermutete, durch seine Erfahrung darin, zu lesen, was die Luft mir zutrug. Ich entwickelte ein deutlicheres Gefühl für meine Umgebung, als bewachten seine Instinkte meinen Rücken und übermittelten mir feinste Sinneseindrücke, die ich unter normalen Umständen nicht zur Kenntnis genommen hätte. Was ich aß, hatte mehr Geschmack, Düfte waren nuancenreicher. Ich bemühte mich, diese Schlussfolgerungen nicht auf mein Verlangen nach Molly auszudehnen. Zwar wusste ich, dass er auch dann bei mir war, doch wie versprochen, hielt er sich so weit im Hintergrund, so dass ich von seiner Anwesenheit nichts merkte.
    Einen Monat nach dem Winterfest fand ich mich in einer neuen Rolle wieder. Das war die Folge meines bereits einige Zeit zurückliegenden Gesprächs mit Veritas, als ich ihn gebeten hatte, mich von meiner Aufgabe als Assassine zu entbinden. Eines Tages wurde ich an Bord der Rurisk befohlen und bekam einen Platz am Ruder zugewiesen. Der Kapitän des Schiffes verwunderte sich laut darüber, weshalb man ihm einen dünnen Zweig schickte, da er doch einen starken Balken angefordert hatte. Ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Die meisten der Männer um mich herum waren vierschrötige Kerle und erfahrene Seeleute. Wenn ich mich bewähren wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit Feuereifer auf diese neue Tätigkeit zu stürzen. Wenigstens hatte ich die Genugtuung, dass ich mit meiner Unerfahrenheit nicht allein dastand. Auch wenn meine Kameraden alle bereits auf anderen Schiffen gedient hatten, war dieser Schiffstyp für sie doch ebenfalls neu.
    Veritas hatte die ältesten Schiffbauer zusammenrufen müssen, um jemanden zu finden, der noch wusste, wie man ein Kriegsschiff baut. Die Rurisk war das größte der vier Boote, die Veritas beim Winterfest hatte vom Stapel laufen lassen. Ihre Linien waren von kühner Eleganz, der geringe Tiefgang ermöglichte ihr, über das ruhige Meer zu gleiten wie eine Libelle über einem Teich oder selbst hohen Wellengang so mühelos abzureiten wie eine Möwe. Bei zweien der anderen Boote waren die Planken Stoß an Stoß an die Spanten genietet, aber die Rurisk und ihr kleineres Schwesterschiff Constance hatten einen Klinkerrumpf, mit dachziegelartig übereinandergreifenden Planken. Der alte Schiffsbauer Mastfisch hatte die Rurisk gebaut, und die Plankengänge waren mit höchster Präzision zusammengefügt. Trotzdem besaß der Rumpf die nötige Elastizität, um auch auf stürmischer See standzuhalten. Der Mast aus einem Kiefernstamm trug ein aus Flachs gesponnenes Segel, das mit einem Licktau eingefasst und mit Veritas’ Bockswappen geschmückt war.
    Die neuen Schiffe rochen nach Holzspänen und geteertem Tauwerk. Die Decks waren noch jungfräulich glatt, die Ruder über die gesamte Länge blitzsauber. Bald würde die Rurisk ihren eigenen Charakter entwickeln: hier ein paar Schnitzereien mit einem Marlspieker, um ein Ruder griffiger zu machen, dort ein gespleißtes Tau, all die kleinen Kerben und Dellen, die von intensivem Gebrauch herrühren. Doch

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