Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
gefühlt hatte. Ich erzählte ihr, wie ich gelähmt vor Angst auf der Ruderbank sitzengeblieben war, während ein Rotes Schiff uns angriff. (Das weiße Schiff, das ich gesehen hatte, ließ ich unerwähnt.) Ich schloss mit dem Geständnis, dass ich immer noch gelegentlich von krampfartigem Zittern heimgesucht wurde, eine Folge meines langen Krankenlagers in den Bergen. Nachdem ich den Brief unterzeichnet hatte, überlas ich das Geschriebene noch einmal. Sie musste den Eindruck gewinnen, ich wäre ein gewöhnlicher Seemann, ein Dummkopf und Feigling, der ständig krank war. Zufrieden rollte ich den Brief zusammen und umwickelte ihn mit demselben gelben Band, das sie benutzt hatte. Auf Siegelwachs verzichtete ich, denn mir war gleichgültig, wer den Brief las. Es erschien mir umso besser, wenn erst Herzog Brawndy diesen Brief an seine Tochter öffnete und ihr in der Folge davon verbat, jemals wieder meinen Namen zu erwähnen.
Als ich erneut an König Listenreichs Tür klopfte, öffnete mir Wallace, auf dessen Gesicht sich wie immer deutlich abzeichnete, was er von meinen Besuchen hielt. Er nahm die Schrift rolle, als wäre sie mit etwas Unaussprechlichem beschmutzt, und schlug mir nachdrücklich die Tür vor der Nase zu. Auf dem Weg zurück in mein Zimmer malte ich mir aus, welche drei Gifte ich ihm verabreichen würde, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bieten sollte. Das war weit weniger anstrengend, als mir Gedanken über meinen König zu machen.
Wieder in meinem Zimmer angelangt, warf ich mich gleich aufs Bett. Wäre es doch Nacht, und ich könnte zu Molly gehen. Dann dachte ich an meine vielfältigen Geheimnisse, wodurch mir selbst diese Vorfreude verdorben wurde.
Mit einem Satz sprang ich vom Bett, um die Fensterläden weit aufzustoßen und mich in den tobenden Sturm hinauszulehnen. Doch selbst das Wetter ließ mich im Stich. Der bedeckte Himmel war aufgerissen und verregnetes Sonnenlicht strömte hervor. Schwarze Wolkenmassen, die sich weiter draußen auftürmten, ließen ahnen, dass diese Wetterlage nicht von langer Dauer sein würde, doch zumindest für einen Moment hatte es dann aufgehört zu regnen, und der Wind hatte sich gelegt. Sogar ein Hauch von Wärme lag in der Luft.
Sofort wanderten meine Gedanken zu Nachtauge.
Es ist zu nass, um zu jagen. Außerdem ist es taghell. Nur Menschen sind dumm genug, am hellen Tag auf Jagd zu gehen.
Fauler Hund!, rügte ich ihn. Ich wusste, er lag zusammengerollt, satt und zufrieden in seiner Mulde.
Heute Nacht vielleicht, vertröstete er mich und schlief wieder ein.
Ich überließ ihn seinen Träumen und griff entschlossen nach meinem Umhang. In meiner augenblicklichen Gemütsverfassung erschien es mir unerträglich, einen Tag eingesperrt hinter Mauern zu verbringen. Ich verließ die Burg und ging nach Burgstadt hinunter. Ich war über Listenreichs Versuche, mich zu verkuppeln, genauso verbittert wie ich über meine Schwäche bestürzt war. Ich schritt weit aus, ein Versuch, der Erinnerung an den kranken König, seinen zitternden Händen und seinem Drogenschlaf zu entfliehen. Verfluchter Wallace! Er hatte mir meinen König gestohlen. Und der König mir mein Leben. Ich verbat mir, weiter darüber nachzudenken.
Regentropfen und gelb geränderte Herbstblätter fielen von den Bäumen auf mich herunter. Die Sonne gewann an Kraft, überzog die nasse Welt mit Glanz und lockte satten Erdgeruch aus dem Boden. Die Vögel dankten mit lautem, frohem Gesang für dieses unerwartete Augenzwinkern des Himmels. Trotz meiner chaotischen Gefühlslage berührte mich die Schönheit des Tages.
Die Regengüsse hatten Burgstadt buchstäblich sauber gewaschen. Ich geriet auf den Marktplatz und in die Strömungen einer geschäftigen Menschenmenge. Jedermann beeilte sich, seine Einkäufe zu machen und nach Hause zu tragen, bevor die Schonfrist vorüber war und das Wetter wieder sein ungnädiges Antlitz zeigte. Die fröhliche Betriebsamkeit und das heitere Stimmengewirr passten nicht zu meiner schlechten Laune, und ich hielt verdrossen Umschau, bis mir ein leuchtend roter Kapuzenumhang ins Auge fiel. Mein Herz tat einen Sprung. Mochte sie sich für den Dienst in der Burg im Blau des Gesindes kleiden; wenn sie zum Markt ging, dann trug Molly immer noch ihren alten roten Umhang. Wahrscheinlich hatte Philia ihr aufgetragen, die Wetterbesserung auszunutzen und eine Besorgung zu machen. Von dort, wo ich stand, konnte ich beobachten, wie sie Beharrlich um einige Päckchen Früchtetee aus den
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