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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verfügte nicht über die Gabe, sie besaß nicht die alte Macht. Dennoch war ihre Magie von einer stärkeren Art und wirkte allein durch ihren Willen. Sobald sie nachts die Tür hinter uns verschlossen und verriegelt hatte, schuf sie in ihrer Kammer eine Welt und eine Zeit, die nur uns beiden gehörte. Hätte sie blind ihr Leben und ihr Glück in meine Hände gelegt - schon das wäre für mich unerträglich gewesen -, aber sie glaubte, irgendwann würde sie für ihr Festhalten an mir einen hohen Preis entrichten müssen. Den noch weigerte sie sich, von mir zu lassen. Und ich, ich selbst war nicht Manns genug, mich von ihr abzuwenden und ihr zu ermöglichen, sich ein glücklicheres Leben aufzubauen. In meinen einsamsten Stunden, wenn ich die Straßen mit Satteltaschen voller vergiftetem Brot entlangritt, wusste ich, dass ich mich wie ein Feigling und schlimmer als ein Dieb verhielt. Früher einmal hatte ich bei einer Gelegenheit zu Veritas gesagt, ich hielte es für unehrenhaft, einem anderen Menschen die Kraft zu rauben, um mich damit zu stärken, und ich würde es nicht tun. Aber war es nicht genau das, was ich nun Molly Tag für Tag zu mutete? Das Pergament entglitt meinen schlaffen Fingern. Die Luft in meinem Zimmer erschien mir plötzlich unerträglich stickig. Ich schob die Papiere zur Seite, die ich mir zum Studium vorgenommen hatte, und machte mich noch vor dem Abendessen auf den Weg zu Philias Gemächern.
    Es war einige Zeit her, seit ich sie das letzte Mal aufgesucht hatte, doch in ihrem Wohngemach schien sich nie etwas zu verändern, außer vielleicht der obersten Schicht ihres Sammelsuriums, an dem sich der neueste Stand ihrer Leidenschaften ablesen ließ. Bei diesem Besuch war es nicht anders. Ich fand dort die im Herbst gesammelten und zum Trocknen gebündelten Kräuter vor, die überall herumhingen und den Raum mit ihren Düften erfüllten. Ich bewegte mich förmlich durch eine von oben herabhängende Wiese und musste mich ducken, um dem baumelnden Grünzeug auszuweichen.
    »Ihr habt sie ein wenig zu tief gehängt«, beschwerte ich mich bei Philia, als sie eintrat.
    »Nein. Du hast es inzwischen fertiggebracht, ein wenig zu sehr in die Höhe zu schießen. Stell dich gerade hin und lass dich ansehen.«
    Ich gehorchte stante pede, auch wenn das bedeutete, einen Büschel Katzenminze auf dem Kopf liegen zu haben.
    »Nun ja. Den ganzen Sommer herumzurudern und Leute totzuschlagen scheint dir gut bekommen zu sein. Kein Vergleich mehr mit dem kränkelnden Jungen vom letzten Winter. Ich habe dir doch gesagt, diese Stärkungsmittel würden helfen. Da du nun schon einmal so gewachsen bist, kannst du dich auch nützlich machen und mir dies hier aufhängen.«
    Im Handumdrehen sah ich mich da mit beschäftigt, Leinen von Wandhaltern zu Bettpfosten und allen anderen feststehenden Gegenständen zu spannen, an denen man einen Bindfaden festmachen konnte. Ich stand auf einem Stuhl und hängte gebündeltes Springkraut auf, als sie mich fragte: »Weshalb jammerst du mir eigentlich nicht mehr vor, wie sehr du dich nach Molly sehnst?«
    »Würde es denn helfen?« Geistesgegenwärtig bemühte ich mich um einen resignierten Tonfall.
    »Nein.« Sie schwieg einen Moment und reichte mir noch ein raschelndes Pflanzenbündel. »Das«, erklärte sie mir, »ist Spitzblattkraut. Es ist sehr bitter. Angeblich soll es verhindern, dass eine Frau empfängt, aber das tut es nicht. Zumindest nicht zuverlässig. Und wenn eine Frau das Mittel zu lange einnimmt, kann sie davon krank werden.« Sie runzelte die Stirn. »Wenn eine Frau nicht gesund ist, wird sie möglicherweise weniger leicht empfangen, aber ich würde niemandem raten, das Kraut zu diesem Zweck zu nehmen, erst recht nicht jemandem, den ich liebe.«
    Meine Kehle war wie zugeschnürt, und es fiel mir nicht leicht, wie beiläufig zu fragen: »Weshalb trocknet Ihr sie dann?«
    »Ein Auszug davon tropfenweise ins Gurgelwasser gegeben, das soll bei Halsschmerzen helfen. Das weiß ich von Molly Chandler. Ich traf sie im Frauenhag, wo sie Spitzblattkraut gesammelt hat.«
    »Ach so.« Ich hängte das Büschel an die Schnur, es pendelte da wie ein Gehenkter in der Schlinge. Sogar der Geruch war bitter. Hatte ich mich vorhin gewundert, wie Veritas so blind für etwas sein konnte, das doch so offensichtlich war? Warum hatte ich nie an die möglichen Folgen unserer Lust gedacht? Wie musste es für Molly sein, das zu fürchten, was eine rechtmäßige Ehefrau ersehnte? Wonach Philia sich

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