Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
vergebens gesehnt hatte?
»… Seetang, FitzChivalric?«
Ich zuckte zusammen. »Wie bitte?«
»Ich sagte, wenn du einen Nachmittag lang Zeit hast, würdest du dann vielleicht Seetang für mich schneiden? Den schwarzen, krausen? Er hat um diese Jahreszeit das meiste Aroma.«
»Ich will es versuchen«, antwortete ich geistesabwesend. Wie viele Jahre noch würde Molly sich Sorgen machen müssen? Wie viel Bitternis musste sie noch hinunterschlucken.
»Was ist es, das deinen Blick so fesselt?«
»Gar nichts. Wieso?«
»Weil ich dich zwei mal gebeten habe, von dort herunterzusteigen, damit wir den Stuhl weiterrücken können. Das war nicht das letzte Bündel.«
»Ich bitte um Entschuldigung. Letzte Nacht habe ich kaum ein Auge zugemacht, deshalb bin ich heute etwas begriffsstutzig.«
»Ich gebe dir Recht. Du solltest dir angewöhnen, mehr zu schlafen.« Sie betonte diese Worte unüberhörbar. »Nun komm schon herunter, damit wir da drüben die Minze aufhängen können.«
Beim Abendessen hatte ich kaum Appetit. Edel saß allein an dem erhöhten Tisch und machte ein verdrossenes Gesicht. Seine gewöhnliche Entourage von Speichelleckern klüngelte an einem Tisch gleich unter ihm. Ich wusste nicht, weshalb er sich entschlossen hatte, allein zu speisen. Sein Rang gab ihm das Recht, aber weshalb diese freiwillig gewählte Isolation? Er winkte einem der Barden, die er in letzter Zeit auf die Burg geholt hatte. Die meisten stammten aus Farrow, kultivierten den näselnden Akzent jener Provinz und huldigten der Form des langen, epischen Sprechgesangs.
Der nun auftretende Bänkelsänger trug ein weitschweifiges Machwerk vor, das irgendeine Heldentat von Edels Großvater mütterlicherseits verherrlichte. Ich hörte kaum hin. Es schien sich darum zu handeln, dass ein gutes Pferd da für zuschanden geritten wurde, um sich rühmen zu können, einen kapitalen Hirsch erlegt zu haben, der einer ganzen Generation von Waidmännern immer wieder durch die Finger geschlüpft war. Endlos wurde das edle Ross gepriesen, das sich seinem Herrn zu liebe bis zum Tod verausgabt hatte. Unerwähnt blieb die haarsträubende Dummheit des Herrn, der ein solches Tier einfach für einen zähen Braten und ein dürres Geweih opferte.
»Du siehst elend aus«, bemerkte Burrich im Vorbeigehen. Ich stand auf und begleitete ihn den Flur hinunter.
»Nur weil mir zu viel im Kopf herumgeht und alles gleichzeitig beachtet sein will. Manchmal glaube ich, wenn ich mehr Zeit hätte, mich ausschließlich auf ein Problem zu konzentrieren, dann wäre ich imstande, zumindest ein Problem ganz zu lösen. Und mich dann anschließend der Reihe nach genauso den anderen Fragen widmen zu können.«
»Du bist nicht der Einzige, der das glaubt, aber es ist ein Irrtum. Ändere, was du ändern kannst und wie es gerade kommt, und nach einer Weile gewöhnst du dich an das, woran sich nichts ändern lässt.«
»Zum Beispiel?«
Er zuckte die Schultern und zeigte nach unten. »Ein lahmes Bein zu haben. Ein Bastard zu sein. Wir alle gewöhnen uns an Dinge, mit denen wir bis dahin glaubten, nicht leben zu können. Was für eine Laus ist dir diesmal über die Leber gelaufen?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Jedenfalls nicht hier.«
»Oh, noch mehr von der Sorte.« Er schüttelte den Kopf. »Ich beneide dich nicht, Fitz. Manchmal hilft es schon, sich einem Mitmenschen gegenüber seine Sorgen und Nöte von der Seele reden zu können. Selbst das bleibt dir versagt. Aber lass den Kopf nicht hängen. Ich bin überzeugt, dass du mit allem fertig wirst, selbst wenn es dir jetzt als unwahrscheinlich erscheint.«
Er klopfte mir auf die Schulter und entschwand in einem Schwall kalter Luft, der mit dem Öffnen der Tür hereindrang. Veritas hatte Recht. Die Winterstürme waren im Anzug, allein schon nach dem Wind zu urteilen, der heute Abend hier um die Ecken pfiff. Ich war auf halber Treppe, als mir auffiel, dass Burrich von Mann zu Mann mit mir gesprochen hatte. Er schien offenbar zu glauben, dass ich erwachsen geworden war. Na schön, vielleicht fiel mir einiges leichter, wenn ich selbst auch daran glaubte. Ich straffte die Schultern.
Beim Ankleiden gab ich mir größere Mühe als seit langem und dachte dabei an Veritas, der für Kettricken hastig ein frisches Hemd übergezogen hatte. Wie hatte er so blind sein können? Und ich? Was tat Molly noch alles für unser Glück, ohne dass ich es ahnte? Ich fühlte mich niedergeschlagener denn je. Heute Abend. Heute Abend, nachdem der Besuch
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