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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Eintreten dennoch fast ins Stolpern und wäre beinahe mit Kettricken zusammengestoßen. Der Narr grinste über meinen Auftritt und zwinkerte mir zu, worauf er zum Bett hüpfte, nach des alten Mannes Hand griff und sie mit aufrichtiger Zärtlichkeit streichelte. »Majestät? Majestät? Ihr habt Besucher.«
    Listenreich regte sich und tat einen tiefen Atemzug. »Wie? Was denn? Veritas? Zieh die Vorhänge auf, Narr, wie soll ich erkennen, wer gekommen ist. Tochter? Fitz? Was hat das alles zu bedeuten?« Seine Stimme war schwach und hatte einen missmutigen Unterton, doch entgegen meinen Befürchtungen schien er verhältnismäßig wohlauf zu sein. Als der Narr die Bettvorhänge aufzog und ihm Kissen in den Rücken schob, fand ich mich einem Mann gegenüber, der älter aussah als Chade. In ihren späten Jahren trat die Ähnlichkeit zwischen den beiden Halbbrüdern immer deutlicher hervor, denn im abgemagerten Gesicht des Königs erkannte man deutlich die Brauen und Wangenknochen des Bastards. Die Augen unter diesen Brauenbögen waren zwar scharf, wirkten aber müde. »Nun, worum geht es?«, verlangte er zu wissen, und sein Blick wanderte von einem zum anderen.
    Veritas verbeugte sich sich in aller Form tief nach unten und Kettricken folgte seinem Beispiel mit einem Hofknicks. Ich nahm ihr Verhalten als Fingerzeig, ließ mich auf ein Knie nieder und verharrte in der Folge so mit gesenktem Kopf. Trotzdem brachte ich es fertig, aus den Augenwinkeln das weitere Geschehen zu verfolgen. Veritas ergriff das Wort: »Herr Vater, mein König - ich komme, um Eure Erlaubnis für ein Unterfangen zu erbitten, das ich plane.«
    »Worum handelt es sich dabei?«
    Veritas begegnete dem forschenden Blick seines Vaters. »Mein Plan ist, mit einem Trupp ausgewählter Männer von Bocksburg aufzubrechen und derselben Route zu folgen wie einst König Weise. Ich habe vor, in diesem Winter in die Regenwildnis jenseits des Bergreichs zu reisen, um die Uralten zu suchen und sie zu bitten, das Versprechen zu halten, welches sie unseren Vorfahren gegeben haben.«
    Ein ungläubiger Ausdruck trat auf Listenreichs Gesicht. Er schlug die Decken zurück und schwang die dünnen Beine über die Bettkante. »Narr, hol uns Wein. Fitz, steh auf und hilf ihm. Kettricken, liebe Tochter, bitte deinen Arm, wenn es dir recht ist, um mir zu diesem Stuhl am Kamin zu helfen. Veritas, bring den kleinen Tisch her, der neben dem Fenster steht. Bitte.«
    Mit seinen Anweisungen durchbrach König Listenreich die steife Atmosphäre. Kettricken half ihm mit einer Vertrautheit, die eine echte Zuneigung zu dem alten Mann verriet. Der Narr flitzte zum Schrank im Wohnzimmer, um Gläser zu holen, mir blieb es überlassen, einen Wein aus dem kleinen Vorrat zu wählen, den König Listenreich in seinen Gemächern aufbewahrte. Die Flaschen waren so sehr von Staub bedeckt, als wäre schon lange keine mehr davon geöffnet worden. Argwöhnisch fragte ich mich, aus welcher Quelle Wallace ihm zu trinken reichte. Wenigstens stellte ich fest, dass der Raum ansonsten in Ordnung war - ein erheblicher Fortschritt gegenüber den Zuständen vor dem Winterfest. Die Räuchergefäße, die mich sehr beunruhigt hatten, standen leer und kalt in der Ecke. Und heute Abend schien der König im Übrigen ganz er selbst zu sein.
    Der Narr half seinem Herrn in ein dickes, wollenes Gewand und kniete nieder, um ihm die Pantoffeln über die Füße zu ziehen. Listenreich setzte sich auf seinen gepolsterten Lehnstuhl am Feuer und stellte sein Weinglas auf den Tisch neben sich. Er wirkte älter. Um einiges älter. Aber vor mir saß wieder der Herrscher der Sechs Provinzen, dem ich in meiner Jugend so oft Bericht erstattet hatte. Plötzlich wünschte ich mir, ich könnte heute Abend derjenige sein, der sein Anliegen vorbrachte. Dieser alte Mann mit den wachen Augen hätte vielleicht ein offenes Ohr für meinen Wunsch gehabt, Molly zu heiraten. Erneut überkam mich der Zorn auf Wallace, wegen der Gewohnheiten, zu denen er den König verführt hatte.
    Aber dies war nicht mein Abend. Trotz der familiären Ungezwungenheit des Königs wirkten Veritas und Kettricken angespannt. Der Narr und ich brachten ihnen Stühle, damit sie links und rechts von Listenreich Platz nehmen konnten. Ich stellte mich hinter Veritas und wartete ab. »Lass hören«, forderte Listenreich seinen ältesten Sohn auf. »Und fasse dich kurz.« Veritas gehorchte. Nacheinander wurden Kettrickens Pergamente entrollt und die entsprechenden Passagen

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