Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
nicht immer daran erinnert, dass er König ist. Du musst an das Wohl deines Königs denken, und ich bin überzeugt, du tust es.«
»Was wirst du tun?«
»Was ich immer getan habe. Was bleibt mir anderes übrig? Ich kann nicht mit etwas aufhören, womit ich nie angefangen habe.«
Eine beklemmende Gewissheit kroch in mir empor. »Und wenn sie wiederkommen?«
Er schenkte mir ein seelenloses Lachen. »Wes halb soll ich mir darüber Sorgen machen, ich kann es nicht verhindern. Allerdings hält meine Vorfreude sich in Grenzen. Das hier«, er deutete mit einer vagen Handbewegung auf sein Gesicht, »das wird heilen. Was sie mit meinem Zimmer angestellt haben, dagegen nicht. Ich werde Wochen damit beschäftigt sein, die Scherben zusammenzuklauben.«
Wie er es sagte, klang es nach einer Bagatelle. Ein scheußliches, hohles Gefühl ergriff von mir Besitz. Einmal war ich ohne sein Wissen in das Turmgemach des Narren eingedrungen. Es war ein langer Aufstieg zu einer vergessenen Treppe hinauf, vorbei an dem Staub und Unrat von Jahren, zu einer Kammer, aus deren Fenstern man über die Zinnen hinwegschaute und die ein wundersames Idyll beherbergte. Ich dachte an die bunten Fische in den bauchigen Töpfen, die Moosgärten in ihren Behältern, die winzige Kinderpuppe aus Porzellan in seiner Krippe. Ich schloss die Augen, als er, den Blick in die Flammen gerichtet, hinzufügte: »Sie waren äußerst gründlich. Wie dumm von mir zu glauben, es gäbe so etwas wie einen sicheren Ort auf der Welt.«
Ich konnte ihn nicht anschauen. Abgesehen von seinem scharfsinnigen Witz und seiner schlagfertigen Zunge war er ein wehrloses Menschenwesen, das nur von dem Wunsch bewegt war, seinem König zu dienen. Und die Welt zu retten. Doch irgendjemand hatte nun seine Welt in Stücke geschlagen. Schlimmer noch, ich vermutete, er war für etwas abgestraft worden, das ich getan hatte.
»Ich könnte dir helfen, alles wieder aufzubauen«, bot ich ihm leise an.
Er schüttelte zweimal kurz und ruckartig den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte er und fügte weniger schroff hinzu, »ohne dich kränken zu wollen.«
»Schon gut.«
Ich wickelte die Kräuter und den Tiegel mit der Salbe in die übrig gebliebenen Hemdfetzen. Er nahm das Bündel, dann rutschte er von der Truhe und ging zur Tür. seine Bewegungen waren steif, obwohl sich die Schläger angeblich nur seines Gesichts angenommen hatten. Die Hand am Riegel, drehte er sich noch einmal herum. »Sobald du es genau weißt, wirst du mir Bescheid sagen?« Er machte eine bedeutungsvolle Pause und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Schließlich, wenn dies schon die Behandlung ist, die man dem Narren eines Königs angedeihen lässt, was tun sie dann mit einer Frau, die den Erben eines Thronfolgers unter dem Herzen trägt?«
»Das würden sie nicht wagen«, sagte ich heftig.
Er schnaubte verächtlich. »Wirklich nicht? Ich bin mir da nicht mehr so ganz sicher, wie weit sie tatsächlich gehen würden. Und du weißt es ebenso wenig. Ich an deiner Stelle würde mich hinter einem solideren Türschloss verschanzen, außer du möchtest dich auch mit einem Sack über dem Kopf wiederfinden.« Sein Lächeln war nicht einmal ein Schatten seines sonst üblichen spöttischen Grinsens. Nachdem er hinaus geschlüpft war, schloss ich die Tür und legte den Balken vor. Dann lehnte ich mich mit dem Rücken dagegen.
»Es mag für alle anderen gut und schön sein, Veritas«, sagte ich laut in die Stille hinein, »doch was mich angeht, so glaube ich, du solltest deine Suche abbrechen und nach Hause kommen. Wir haben mehr zu fürchten als nur Rote Schiffe, und irgendwie bezweifle ich, dass die Uralten eine große Hilfe gegen die anderen Bedrohungen wären, denen wir uns gegenübersehen.«
Ich wartete in der Hoffnung, so etwas wie eine Bestätigung von ihm oder seine Zustimmung zu erhalten. Nichts. Das Bewusstsein meiner Unzulänglichkeit verursachte mir einen bitteren Geschmack im Mund. Selten war mir genau bewusst, wann Veritas in mir lauschte, und nie war ich sicher, ob er die Gedanken auch empfing, die ich ihm zu übermitteln versuchte. Wiederholt fragte ich mich, weshalb er nicht durch Serene kommunizierte. Den ganzen Sommer über hatte er wegen der Roten Korsaren über die Gabe mit ihr kommuniziert, weshalb schwieg er jetzt? Hatte er sich bereits mit ihr in Verbindung gesetzt, und sie Behielt es nur für sich? Oder teilte sie ihr Wissen ausschließlich mit Edel? Die Beulen im Gesicht des Narren waren möglicherweise
Weitere Kostenlose Bücher