Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
gewesen ist.«
    »Nein! Ich verlasse ihn nicht!« Die Augen des Narren waren groß und leer wie die eines Wahnsinnigen.
    »Nimm ihn mit, ob er will oder nicht, Chade. Sein Leben hängt davon ab!« Ich packte den Narren bei den Schultern und schüttelte ihn heftig. Sein Kopf wankte auf dem dünnen Hals hin und her. »Geh mit Chade und sei still! Sei still, wenn du willst, dass der Tod deines Königs gerächt wird. Denn das werde ich jetzt tun.« Plötzlich überkam mich ein heftiges Zittern, und die Welt begann sich um mich herum zu drehen und sich zu verdunkeln. »Elfenrinde!«, ächzte ich. »Elfenrinde brauche ich von dir. Dann flieht!« Ich stieß den Narren zu Chade hin, und der alte Mann umschlang ihn mit seinen knochigen Armen. Es sah aus, als würde der Tod die schmächtige Gestalt an seine Brust drücken. Sie verließen das Zimmer, Chade schob den weinenden Narren vor sich her. Einen Augenblick später hörte ich ein leises Knirschen von Stein auf Stein. Sie waren fort.
    Ich sank auf die Knie, dann vornüber, bis ich am Schoß meines toten Königs Halt fand. Seine schlaffe Hand fiel von der Armlehne auf meinen Kopf.
    »Eine dumme Zeit für Tränen«, sagte ich laut in das leere Zimmer hinein, aber das hielt die Tränen nicht zurück. Am Rande meines Gesichtsfeldes nahm ich immer noch wahr, wie ein schwarzer Strudel mich zu erfassen versuchte. Die gespenstischen Gabenfinger wanderten an meiner Festung entlang über meine Mauern, kratzten am Mörtel, prüften jeden Stein. Ich stieß sie weg, aber sofort scharrten sie an einer anderen Stelle. So, wie Chade mich angesehen hatte, zweifelte ich plötzlich daran, dass er zurückkommen würde. Ich hoffte darauf. Und ich holte tief Atem.
    Nachtauge. Führe sie zum Fuchsbau. Ich zeigte ihm den Schuppen, aus dem sie herauskommen würden und den Platz, an dem Burrich wartete. Zu mehr fehlte mir die Kraft.
    Mein Bruder?
    Führe sie, mein Herz! Er zögerte, dann spürte ich, wie er sich entfernte. Immer noch liefen die albernen Tränen über mein Gesicht. Ich suchte nach einem Halt und streckte die Hand aus, wobei ich den Gürtel meines Königs berührte. Durch den Schleier vor meinen Augen sah ich sein Messer, es war kein juwelenbesetzter Dolch, sondern ein ein faches Messer, das jeder Mann für die einfachen alltäglichen Verrichtungen am Gürtel trug. Ich umfasste den Griff, zog es aus der Scheide, setzte mich auf den Boden und betrachtete es. Eine ehrliche Klinge, dünngewetzt von den langen Jahren des Gebrauchs. Das Heft aus einer Geweihstange, die ursprünglich wohl mit Schnitzereien versehen, doch jetzt abgenutzt und glatt war. Ich strich mit den Fingerspitzen darüber, und sie fanden, was meine Augen nicht mehr zu erkennen vermochten. Hods Zeichen. Die Waffenmeisterin hatte dieses Messer für ihren König gefertigt. Und er hatte es in Ehren gehalten.
    Eine Erinnerung regte sich im Hintergrund meines Bewusstseins. »Wir sind Werkzeuge«, hatte Chade einst zu mir gesagt. Ich war das Werkzeug, das er für den König geschmiedet hatte. Der König hatte mich angesehen und sich gefragt: Was habe ich aus dir gemacht? Ich brauchte mir diese Frage nicht zu stellen. Ich war des Königs Assassine, und das auf mehr als nur eine Weise. Doch heute wollte ich ihm ein letztes Mal und in der reinsten Form meinen Dienst erweisen, für den er mich bestimmt hatte.
    Jemand hockte neben mir. Chade. Langsam drehte ich den Kopf, um ihn anzusehen. »Carrissamen«, sagte er. »Keine Zeit für Elfenrinde. Komm, ich bringe dich auch in unser Versteck.«
    »Nein.« Ich nahm den kleinen Kuchen aus Carrissamen und Honig, steckte ihn in den Mund und kaute sorgfältig, um die volle Wirkung der Körner freizusetzen. Dann schluckte ich den süßen Brei hinunter. »Geh«, sagte ich zu Chade. »Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen und du eben falls. Burrich wartet. Bald wird man Alarm geben, des halb beeil dich. Bring die Königin hinaus, bevor zur Jagd geblasen wird. Ich werde derweil hier für Beschäftigung sorgen.«
    Er stand auf. »Lebwohl, Junge«, sagte er schroff und bückte sich, um mich auf die Stirn zu küssen. Er erwartete nicht, mich lebend wiederzusehen.
    Damit waren wir schon zwei.
    Noch bevor ich erneut das Knirschen hörte, mit dem der geheime Zugang sich schloss, machte sich die Wirkung des Carrissamens Bemerkbar. Ich hatte schon früher beim Frühlingsfest Erfahrungen damit gemacht, so wie alle anderen. Eine kleine Menge davon, eben so wie sie sich zwischen Daumen und Zeigefinger

Weitere Kostenlose Bücher