Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
deiner Abstammung handelt es sich in diesem Fall um mehr als ein bloßes Missverständnis.« Philia nahm den Faden wieder auf, als hätte ich nie gewagt, sie zu unterbrechen. »Wärst du weiter nichts als Fedwrens Gehilfe oder ein Stallbursche, könntest du der Stimme des Herzens folgen. Doch in deinen Adern, FitzChivalric, fließt königliches Blut. Selbst ein Bastard«, das Wort kam ihr nur stockend über die Lippen, »hat die Pflicht, gewisse Regeln zu beachten. Und Zurückhaltung zu üben. Bedenke deine Stellung im königlichen Haushalt. Um zu heiraten, musst du die Erlaubnis deines Königs einholen, wie du natürlich weißt. Die Achtung gegenüber König Listenreich gebietet, ihn von deiner Absicht, einer Dame den Hof zu machen, in Kenntnis zu setzen, so dass er abwägen kann, was für die Auserwählte spricht, und dir mitteilen, ob deine Werbung seine Zustimmung findet oder nicht. Ist der Zeitpunkt günstig? Wird der Thron von der Heirat profitieren? Ist die Verbindung akzeptabel, oder könnte es einen Skandal geben? Wird dein Liebeswerben dich von deinen Pflichten abhalten? Ist die künftige Braut adliger Herkunft? Wünscht der König, dass du Nachkommen zeugst?«
Jeder Punkt, den sie auf zählte, traf mich wie ein Keulenschlag. Stumm ließ ich mich zurücksinken und starrte auf die Bettvorhänge. Ich hatte nie bewusst angefangen, Molly zu umwerben. Aus einer Kinderfreundschaft war unmerklich mehr geworden. Mein Herz hatte immer gewusst, was es sich wünschte, aber mein Kopf hatte diesen Wunsch niemals an der Wirklichkeit gemessen. Philia konnte an meinem Gesicht ablesen, was ich dachte.
»Davon abgesehen, FitzChivalric, solltest du nicht vergessen, dass du bereits einen Treueeid geleistet hast. Dein Leben gehört dem König. Was hättest du Molly zu bieten, wenn du sie heiratest? Seine Brosamen? Die kurzen Augenblicke, in denen er dich nicht beansprucht? Einem Mann, der geschworen hat, seinem König zu dienen, bleibt wenig Zeit für etwas anderes in seinem Leben.« Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. »Manche Frauen sind bereit zu nehmen, was ein solcher Mann ihnen geben kann, und sich damit zu begnügen. Für andere ist es nicht genug. Du musst …« Sie zögerte, und es schien sie Überwindung zu kosten, mit ihren Worten fortzufahren. »Du musst da rüber nachdenken. Ein Pferd kann niemals zwei Sättel tragen, wie sehr es sich das auch wünschen mag …« Bei den letzten Worten war ihre Stimme immer leiser geworden. Sie schloss die Augen, als hätte sie Schmerzen. Doch der Augenblick der Schwäche war schon vorüber, und sie fuhr fort, als wäre nichts gewesen. »Und noch etwas ist zu bedenken, FitzChivalric. Molly ist - oder war - eine Frau mit Zukunft. Sie hat ein Handwerk gelernt und weiß ein Geschäft zu führen. Ich bin überzeugt, dass sie bald genug Geld verdient haben wird, um sich wieder eine Existenz aufzubauen. Doch was ist mit dir? Was hast du vorzuweisen? Du verstehst dich da rauf, schöne Buchstaben zu malen, doch du bist kein Schreiber. Du magst ein guter Stallbursche sein, aber das ist nicht dein Broterwerb. Du bist der Bastard eines Prinzen. Du wohnst in der Burg, du wirst hier ernährt und gekleidet. Aber du erhältst keine feste Apanage. Dies könnte wohl für eine Person ein gemütliches Zimmer sein. Aber wolltest du Molly zumuten, hier zu hausen? Oder hast du ernsthaft geglaubt, der König würde dir gestatten, Bocksburg zu verlassen? Und wenn er es täte, was dann? Willst du bei deiner Frau wohnen und das Brot essen, das sie mit ihrer Hände Arbeit verdient? Oder wärst du’s zufrieden, ihr Gewerbe zu erlernen und ihr zur Seite zu stehen?«
Sie schwieg, doch offenbar nicht, weil sie von mir eine Antwort auf ihr Fragen erwartete. Ich hätte auch keine gewusst. Nachdem sie Atem geschöpft hatte, sprach sie weiter. »Du hast dich benommen wie ein gedankenloser Knabe. Ich weiß, du hast es nicht böse gemeint, und wir müssen dafür sorgen, dass kein Schaden daraus entsteht. Für niemanden. Besonders nicht für Molly. Du bist inmitten von Klatsch und Intrigen eines Königshofs aufgewachsen, sie nicht. Willst du, dass es heißt, sie ist deine Konkubine oder, schlimmer noch, eine gemeine Hure? Seit vielen Jahren ist Bocksburg eine Männerdomäne gewesen. Königin Desideria war die Königin, aber sie hielt nicht Hof wie Königin Constance vor ihr. Nun hat Bocksburg wieder eine Königin. Schon gibt es einige Veränderungen, wie du feststellen wirst. Falls du wirklich hoffst, Molly
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