Five Stars 02 - Wildes Verlangen
Blieb noch Jonas, um den ich mir von der ersten Minute an Sorgen machte, ein ruhiger, fast schüchterner Junge, aber wenn er etwas sagte, hatte es Hand und Fuß. Leider sprach er so leise, dass er gegen die Lautsprecher Marvin und Timo niemals eine Chance bekäme. Das allerdings war nicht das Schlimmste, vielmehr fürchtete ich, dass er zu sensibel war, um mit den brutalen Bedingungen dieser Show fertig zu werden. Im Moment war es für alle eine Art spaßiger Gruppenausflug, schon nach der ersten Sendung sollte es damit vorbei sein. Das Konzept der Show baute nicht darauf auf, dass sich die Kandidatinnen und Kandidaten wohlfühlten. Vielmehr plante Steve, sie immer wieder in Situationen zu bringen, in denen sie an ihre psychischen Grenzen kamen. Ich zweifelte, dass Jonas das aushielte und er tat mir schon jetzt leid. Vielleicht wäre es das Beste, er flöge gleich am Anfang nach Hause. Andererseits war er der einzige der männlichen Kandidaten, der mir sympathisch war.
Während die Kandidaten nach dem Briefing ihren letzten freien Tag am Strand und in der Stadt genießen konnten, sichtete das von Steve zusammengestellte »MAZ-Team« das Material, das Kamerateams vor der Abreise der Spielteilnehmer in deren Wohnungen gedreht hatten. Dieses Team bestand neben Steve und mir mir noch aus Amy, der Cutterin und gebürtigen Amerikanerin, die uns mit ihrem lustigen Akzent amüsierte und - zu meinem Entsetzen - Katja. Als Steve meinen entgeisterten Blick sah, meinte er beschwichtigend: »Sie muss dabei sein, Violetta, wie soll sie sonst ihre Posts und Tweets und wie das Zeug heißt, schreiben. Die Entscheidungen treffen wir, keine Sorge.«
Schon nach einer Stunde strafte er sich selbst Lügen. Katja stöckelte in einem engen, roten Kleidchen in die zum Schneideraum umfunktionierte Sauna - draußen war es so heiß und schwül, dass unsere Kandidaten sie ohnehin nicht nutzen würden - und Steve konnte sich nicht entscheiden, ob er seine Augen auf ihren Hintern, der kaum vom Rock bedeckt wurde, oder auf ihre Brüste heften sollte, die fast aus dem Ausschnitt quollen. »Mein Gott, ist das heiß hier«, sagte sie einen Fächer affektiert in der Hand schwingend, als sie sich auf den Stuhl neben Steve fallen ließ und die Beine übereinanderschlug. »Hoffentlich habt ihr nicht zu aufregende Bilder von den schnuckeligen Männern, sind ja ein paar Sahneschnitten dabei«, gurrte sie und ich sah mit Abscheu, dass sie Steve bereits fest an der Angel hatte.
Das zu sichtende Material war nicht besonders spannend, trotzdem war nach zehn Minuten klar, in welche Richtung die Show laufen würde, ginge es nach Katja. Marvin war ihr klarer Favorit, während sie über Jonas schon jetzt abfällige Witze riss. Bei den Frauen gefiel ihr Kim am besten, kein Wunder, war sie doch ein Abziehbild ihrer selbst. Am liebsten machte Katja aus der Show eine Krawallsendung, bei der sich die Frauen und Männer an die Gurgel gingen.
»Es bringt doch nichts mehr Quote als ein ordentlicher Zoff.«
»Quatsch«, entgegnete ich lauter als ich wollte. »Richtig erfolgreich werden wir nur, wenn wir den menschlichen Faktor rauskitzeln.«
Steve blickte verzweifelt von einer zur anderen und war heilfroh, als Amy trocken einwarf: »Liebe und Drama, das wollen die Leute sehen.«
»Genau«, stammelte Steve. »Warten wir ab, wie sich alles entwickelt.«
Zwei Stunden später klopfte ich an Charlys Zimmertür.
»Und, wie ist es gelaufen?« Ich hörte ihrer Stimme an, dass sie die Neugierde kaum unterdrücken konnte, denn auch für sie war dieser Job absolutes Neuland. Als ich ihr erzählte, dass Steve Katja ins MAZ-Team geholte hatte, fluchte sie laut und ausdauernd. »Der geht’s nur um eins und das ist, uns zu schaden.«
»Naja, eher ja wohl mir. Gegen dich hat sie bestimmt nichts.«
»Ich arbeite für dich, damit stehe ich genauso auf ihrer Abschussliste.«
Vermutlich hatte Charly recht, aber ich war nicht zu ihr gekommen, um über Katja oder die Sendung zu diskutieren. Nachdem wir beim Zimmerservice Sandwiches bestellt hatten, kam ich zur Sache.
»Und? Hast du eine Idee, wie wir Daniel ausfindig machen?«
»Ich bin dran«, lautete ihre kurze Antwort. »Hast du deine Liste von Leuten, die etwas über ihn wissen könnten?«
Natürlich, aber die Aufzählung war kurz und knapp. Ich musste mir eingestehen, dass ich kaum jemanden aus Daniels Umfeld kannte. Nachmittags hatte ich Madé und Ketut angerufen, aber sie hatten nicht den blassesten Schimmer.
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