Five Stars 02 - Wildes Verlangen
wurde ein fröhlicher, fast unbeschwerter Abend, den Daniel und ich, nachdem sich Bernheim verabschiedet hatte, weil er noch am gleichen Tag zurück nach Deutschland musste, im Bett ausklingen ließen.
Die Fröhlichkeit währte allerdings nicht lange. Daniels Stimmung war mehr und mehr starken Schwankungen unterworfen. Oft ging er schon früh am Morgen, während ich noch schlief, aus dem Haus und kam erst nach zwei oder drei Stunden zurück. Wenn ich fragte, wo er gewesen war, antwortete er ausweichend. Fast war ich so weit, ihm einfach zu folgen, weil ich das Gefühl hatte, die morgendlichen Ausflüge belasteten ihn. Eines Nachmittags, wir saßen in der Bibliothek, weil draußen ein Tropengewitter niederging, setzte er sich auf die Lehne meines Sessels. »Es ist Zeit, das Datum festzulegen, Violetta.«
Seit wir unseren Handel abgeschlossen hatten, maximal zwei Monate auf eine neue Spenderniere zu warten, fürchtete ich mich vor diesem Moment. Während mir die Tränen in die Augen traten, plauderte Daniel, als ginge es um die Planung des nächsten Urlaubs. »Ich habe mit dem Heiler und Weisen des Dorfes gesprochen, er meint, der kommende Montag wäre ein guter Tag.«
Montag, das hieß, dass uns noch drei Tage blieben. Mein Gehirn überlegte fieberhaft, es musste sich doch ein Argument finden, um wenigstens eine Woche mehr herauszuschlagen. Mir fiel nichts ein und so schwieg ich. Die Zeit lief an diesem Nachmittag, ohne dass ich es registrierte. Als die Sonne unterging, saß ich noch immer in meinem Sessel. Die Welt war also nicht stehen geblieben, sie hatte sich einfach weitergedreht. Die Geräusche drangen wie durch Watte zu mir. Irgendwo klingelte ein Telefon. Einige Sekunden später stürzte Madé in die Bibliothek und hielt mir den Apparat vors Gesicht. »Oskar Mattis, Misses Violetta. Er sagt, es sei wichtig.«
Oskar? Ich brauchte zwei Sekunden, den Namen zuzuordnen, ehe der Kokon zerplatzte, der mich seit Daniels Eröffnung, am kommenden Montag aus dem Leben scheiden zu wollen, von der Welt abschottete.
»Violetta?«, hörte ich Oskars Stimme glasklar. »Gott sei Dank, ich dachte schon, ich träfe sie nicht an. Daniel scheint sein Handy abgestellt zu haben. Wir haben ein Organ, Violetta.«
»Ein Wunder«, sagte ich und staunte über meine eigenen Worte.
»Sie haben Recht, Violetta, aber jetzt brauchen wir noch ein zweites Wunder. Daniel muss spätestens in zwölf Stunden in Auckland im OP liegen. Wenn wir in zwei Stunden nicht sicher wissen, dass es klappt, müssen wir die Niere für jemandanderen freigeben.«
Zwei Stunden! Ich rannte durchs Haus und fand Daniel schlafend im Garten. Als ich ihm in kurzen Worten die Situation erläuterte, schnappte er nach Luft. Eine Minute später starrten wir auf den Monitor und überprüften die Flugverbinden. »Mist! Der nächste Flug nach Sidney geht erst in sechs Stunden, das reicht nicht.«
»Was ist mit Melbourne?« fragte ich atemlos.
Daniel tippte wie wild auf der Tastatur herum. »Oh mein Gott, genau in einer Stunde und zwanzig Minuten.«
»Das ist knapp, aber es muss klappen.«
Während Daniel ins Haus der Bediensteten hastete, rief ich bei der Fluggesellschaft an. Sie waren ausgebucht und es gäbe keine Chance, es sei denn, einer der Fluggäste trete zurück. Das musste sich doch machen lassen. Während Ketut den Wagen aus der Garage holte, sprach Daniel mit dem örtlichen Polizeichef. Fünf Minuten später rasten wir hinter einem Polizeiwagen mit Blaulicht über die Hauptstraße von Ubud, der uns bis zum Flughafen eskortierte. Zwölf Minuten vor Abflug standen wir am Gate. Ich ließ mir das Mikrofon geben und erklärte den warten Fluggästen die Situation. »Bitte, helfen Sie uns.« Keiner hob die Hand, alle blickten zu Boden. »Wir werden Sie natürlich großzügig entschädigen.«
Ein junger Mann und seine strohblonde Freundin standen auf und schlenderten betont lässig auf uns zu. »Okay, wir haben es nicht so eilig«, sagte er und sie ergänzte lächelnd: »Wenn Sie unserem Arbeitgeber erklären, warum wir morgen nicht im Büro sitzen … .«
Daniel drückte dem völlig verdutzten Mann tausend Dollar in die Hand und wies Ketut an, sofort mit seinem Chef zu reden.
Als die Maschine zehn Minuten später abhob, lehnten Daniel und ich uns zurück. »Das war knapp«, sagte er und streichelte meine Hand. »Das Leben ist eben ein Drahtseilakt«, gab ich zurück.
Zur gleichen Zeit öffnete ein Team von zwei Chirurgen in Auckland den Brustkorb eines
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