Fix und forty: Roman (German Edition)
dahinter ist, dass Herkunft und Erbe der Frau genauso wichtig sind wie die des Mannes. Viele Frauen sehen den Brauch, den Namen des Mannes anzunehmen, als eine Art symbolische Unterdrückung an. Es ist, als würde der Mann zur Frau sagen: ›Meine Person ist wichtiger als deine‹.«
»Gabe, vielleicht sollten wir lieber gehen«, sagte Caleb, ohne mich anzusehen.
»Hast du den Namen deines Mannes nicht angenommen?« Gabe war verletzt. Er nahm es persönlich.
»Nein«, gab ich zu.
»Und wie hat er sich dabei gefühlt?«
»Es war bei uns nie ein Thema. Nick war immer davon ausgegangen, dass ich meinen Namen behalten würde.«
»Dann findest du das Wort Gottes wohl auch ein bisschen altmodisch?«, schoss Gabe zurück.
»Weißt du was, Gabe? Lass es einfach. So denkt sie eben. Lass uns abhauen«, sagte Caleb.
Als sie gegangen waren, fragte ich meine Mutter: »Findest du es nicht komisch, dass die Jungs viel konservativer sind als du und Dad?«
»Ach, das gibt sich mit der Zeit«, sagte Mom. »Wenn man jung ist, hat Glauben viel mit Regeln zu tun. Damit, was man zu tun und zu lassen hat und so weiter. Aber wenn man älter wird, erkennt man, dass Glaube eigentlich mehr mit Beziehungen zu tun hat – zu Gott, zu den Menschen um einen herum, zu den anderen Gemeindemitgliedern.«
»Stört es dich, dass ich Nicks Namen nicht angenommen habe?«
Sie lächelte. »Du bist alt genug, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen.«
»Hättest du an Frannys Stelle Rob Franz’ Namen angenommen?«
»Ich hätte Rob Franz gar nicht erst geheiratet«, sagte sie entschieden. »Er ist ein fauler Versager. Pass nur auf. Als Nächstes kündigt er und lässt sich von Franny aushalten. Die arme kleine Franny. Sie war so ein süßes Mädchen. Und sie hat Klarinette gespielt.«
Aaron ist ein Jahr älter als ich. Eigentlich hätten wir uns nahestehen sollen, denn wir besuchten dieselbe Schule, hatten dieselben Lehrer und lasen dieselben Bücher. Ich hätte mich in seine Freunde verknallen müssen, aber die waren allesamt Hardcore-Naturwissenschaftsfreaks wie er. Seine Clique hing ständig in Mr Handwerkers Büro rum, wo es eine Dunkelkammer gab, in der sie schwarz-weiße Kunstfotos von Nacktschnecken – Verzeihung, von Arion distincti – entwickelten, um sie beim Fotowettbewerb des Jahrmarkts in Fresno einzureichen. Aaron und seine Freunde steckten sich immer das T-Shirt in die Hose, und egal wo man den Jungs begegnete, sie rochen nach Entwicklerlösung, Stoppbad oder Formaldehyd.
Doch es gab einen unter Aarons Freunden, der nicht ganz so schlimm war wie die anderen. Wyatt Reed hatte braunes Wuschelhaar, ein schüchternes Lächeln und genug Verstand, sein Pausenbrot nicht in Mr Handwerkers Büro, sondern wie jeder normale Mensch auf der Wiese vor der Bücherei zu essen. Eines Sommers lud er mich und Aaron zur Kinderbibelwoche seiner Kirche ein. Wyatt war kein Mennonit; daher sah sich meine Mutter Wyatt, seine presbyterianische Kirche und seine Familie erst genauer an, bevor sie uns die Erlaubnis gab. KiBiWo interessierte mich nicht die Bohne, aber ich genoss es, wie Wyatts leichtes Stottern sich verschlimmerte, wenn er mit mir sprach.
Bislang hatte ich praktischerweise jedes Mal mit einer Grippe im Bett gelegen, wenn die Kinderbibelwoche in unserer Kirche stattfand, und so war ich nun zum ersten Mal dabei. Kinderbibelwoche ist eine Art religiöses Ferienlager, mit dem Unterschied, dass es nicht in einer nach Kiefernholz duftenden Berghütte, sondern in der Kirche stattfindet. Und dass Ihre Eltern Sie dort nicht für zwei Wochen, sondern jeweils nur für den Nachmittag abliefern. Ansonsten gibt es durchaus Parallelen zu typisch amerikanischen Summercamps: künstlich erzeugte Rivalitäten, derbe christliche Lieder und tränenreiche Bekenntnisse. Mit Kanus, Abenden am Lagerfeuer und Schlafsacklagern kann die KiBiWo allerdings nicht dienen.
Bei der KiBiWo in Wyatts Kirche wurden die christlichen Jugendlichen in zwei konkurrierende Gruppen eingeteilt. Wyatts und meine Gruppe nannte sich »Wolken«. Aaron war bei den »Tornados«. Weshalb wir nach rauen Wetterphänomenen benannt wurden, weiß ich bis heute nicht. Doch hätte der Herr bedeutungsvoll geflüstert: »Morgenrot mit Regen droht!«, hätte ich auf die Botschaft gehört, denn Wyatt Reed war wirklich beinahe süß, wenn er stotterte. Wahrscheinlich war es seine Mutter, die ihn dazu zwang, sich das T-Shirt in die Hose zu stecken.
Die Betreuer, zwei Athleten für Christus aus
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