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Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
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amerikanischen Unabhängigkeitstags in Kalifornien war, besuchten meine Mutter und ich Caleb und Staci, um uns ihren neuen Swimmingpool anzusehen. Es war ein Super-Luxus-Pool mit verschiedenen Bereichen, Lichtern und Fontänen, Wasserfällen und Höhlen – die Art von Swimmingpool, die zu sagen scheint: »Mennonit – wer, ich?« Alle Enkel tollten und planschten kreischend darin herum. Der Swimmingpool war eine prächtige Hommage an den amerikanischen Größenwahn und damit in jeder Hinsicht das Gegenteil von dem, womit meine Geschwister und ich aufgewachsen waren – nämlich einem Rasensprenger, der aus dem von der Sonne aufgeheizten Schlauch einen laschen Sprühnebel ausstieß. Als meine Mutter die Gatsby-artigen Dimensionen von Calebs Swimmingpool erblickte, nahm sie mich am Ellbogen und sagte: »Ach du liebe Zeit! Das sieht aber teuer aus!«
    Staci sah sich Hilfe suchend um, und Hannah sprang ein: »Hast du eigentlich je schwimmen gelernt, Mom?« Damit schaffte sie es, die drohende Diskussion über christliche Bescheidenheit für eine gute halbe Stunde abzuwenden. Doch Mom fand bald wieder einen Weg nach Rom: »Der Sprungturm sieht aus, als hätte er ein paar hübsche Pennys gekostet.«
    Diesmal versuchte ich es, sie abzulenken. »Wo wir gerade von Pennys reden, erinnerst du dich noch, wie ich von dir einmal zehn Penny dafür bekam, dass ich im Schwimmbad vom Dreimeterbrett sprang?«
    »Du bist für zehn Penny vom Dreimeterbrett gesprungen?«, fragte meine Nichte Allie, die sich mit der Schwimmbrille auf der Nase zu uns gesellt hatte. Sie streckte Daumen und Zeigefinger aus und hielt sie sich in Form eines großen Ls an die Stirn. »Loooooser!«
    Mennonitische Sparsamkeit ist nicht mehr das, was sie mal war. Mennoniten meiner Generation machen vieles anders, zum Beispiel meine Brüder, die ihren Kindern all das bieten, was wir vermisst haben. Darüber dachte ich nach, als ich mich wieder einmal an das mennonitische Tanzverbot erinnerte. Nachdem ich mich von Hannah und Phil verabschiedet hatte, war ich zurück in Kalifornien und befand mich mit meinen Eltern auf dem Weg zu einer Tanzaufführung.
    An mennonitischen Schulen ist das Tanzen heute immer noch verboten. Mennonitische Gymnasiallehrer müssen oft noch einen Vertrag unterzeichnen, in dem sie versichern, dass sie, solange sie für eine mennonitische Einrichtung arbeiten, weder trinken noch tanzen noch vorehelichen Geschlechtsverkehr haben werden. Dennoch erlauben inzwischen selbst manche der eingefleischten Mennoniten ihren Kindern das Tanzen. Manche ermutigen sie sogar dazu. Meine hübsche Nichte Phoebe, Aarons Tochter, trainiert sieben Tage die Woche Stepptanz, Jazztanz, Ballett und Hip-Hop. Mit vierzehn tritt sie bereits in verschiedenen Inszenierungen ihrer Gemeinde auf, sei es Der Nussknacker oder Pinocchio . Tanzstunden wie ihre sind nicht ganz billig, und ich wusste, dass es für Aaron schwer sein musste, den Unterricht von seinem Lehrergehalt zu finanzieren.
    Als wir ankamen, überließ Aarons Frau Deena mir großzügig ihren Platz neben Aaron. »Er sitzt da vorne auf den VIP-Plätzen in der ersten Reihe«, sagte sie und zeigte zur Bühne.
    »Wo? Ich sehe ihn nicht«, sagte ich, den vollen Saal absuchend.
    »Gleich da vorne, auf den Plätzen direkt vor der Bühne«, sagte Deena.
    »Ach, da ist er ja!«, sagte ich. Doch was ich dachte, war: »!!!!!«, denn ich hatte Aaron die ganze Zeit angesehen, ohne ihn zu erkennen. Obwohl wir uns erst vor zwei Wochen beim Weihnachtsessen getroffen hatten, sah ich Aaron in diesem Saal voller Fremder mit neuen Augen: Er wirkte genau wie jeder andere quadratschädelige Familienvater mit grau meliertem Bürstenschnitt. Es war, als hätte er sich die Autorität, die er ausstrahlte, wie ein Sakko übergezogen. Er sah aus wie ein Schuldirektor.
    Ich schätze, Deena ging davon aus, dass Aaron und ich froh sein würden, ein bisschen miteinander reden zu können. Doch wir saßen schweigend da. Gemeinsam sahen mein Bruder und ich seiner Tochter auf der Bühne zu, die tanzend das elementare Konzept von bewegtem Wasser interpretierte. Das offene Haar fiel ihr über den Rücken wie der hauchdünne azurblaue Chiffon, der sich eng an ihre schlanken Formen schmiegte. Als sie sich von ihrem Partner in die Luft heben ließ und den Kopf in den Nacken legte, während ihre Arme zugleich zu flattern und zu ruhen schienen, warf ich einen Blick auf meinen Bruder. Wie musste es sich anfühlen, seiner vierzehnjährigen mennonitischen

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