Fix und forty: Roman (German Edition)
Ichabod Crane, der versucht, eine Mücke zu erschlagen. Bei Bettinas Tanz mit dem Knirps bestand die Komik darin, dass sie wie eine riesige Bratwurst aussah. Ich begriff, dass Mr Handwerker sich über sie und den Knirps lustig machte, ja, generell über alle Menschen, die einen schweren Körperbau hatten, winzig oder schlaksig waren oder gar nichts von beidem. Mr Handwerker war der fieseste Lehrer aller Zeiten. Während der Tanznummer stand ich hinter der Bühne, klatschte, stampfte, sang und weinte für Bettina, und für den zierlichen Glenn Arbus auch, obwohl er mir einmal einen Junikäfer in die Bluse gesteckt hatte.
Die Kluft zwischen Aaron und mir umfasste viel mehr als den Graben zwischen linker und rechter Gehirnhälfte, zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften. Eigentlich habe ich mit keinem meiner Brüder viel gemeinsam. Im College begnügten sich beide mit den Möglichkeiten, die ihnen die mennonitischen Kreise boten. Aaron sang Close Harmonies in einem Madrigalchor, in dessen Reihen das satte Timbre seines Baritons wie Butter schmolz. Caleb nahm bei den landesweiten Volleyball-Turnieren einer christlichen Organisation teil. Beide gingen weiter zur Bibelstunde. Sie interessierten sich für ehrliche Mädels, die sich den Pony mit Haarspray toupierten und Missionsreisen unternahmen. Mit großer Freude trainierten, studierten und beteten sie. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir längst nichts mehr gemeinsam.
Ich hatte das Gefühl, das winzige Mennoniten-College, das ich besuchte, hielt mich von ernsthaften Literaturstudien ab. Und das tat es wirklich, was ich auf meine Kosten zu spüren bekam, als ich später an der Uni den Grad meiner Unterbelichtung in Sachen Theorie entdeckte. Mit zwanzig interessierten mich nur Philosophie, Feminismus und Mode. Für die bescheideneren Lektionen, die mir mein bodenständiges Mennoniten-College hätte bieten können, war ich blind – Lektionen über den Wert von Gemeinschaft und Arbeit, Weisheit statt Wissen.
Als Aaron und Caleb älter wurden, wählten sie einen Lebensstil, der tief in der mennonitischen Kultur verankert war. Sie heirateten jung, gründeten große Familien und sind in der Kirche aktiv. Die Wege, die wir eingeschlagen haben, sind so unterschiedlich, dass unsere seltenen Begegnungen meistens verkrampft sind. Meine Brüder interessieren sich nicht dafür, was in der literarischen Welt los ist, und ich weiß wiederum nicht, was in der Welt der Fußballmütter und Hauslehrer vor sich geht. Meine Brüder fragen mich nie nach meinem Leben oder meiner Arbeit, ein Schweigen, das ich als Missbilligung interpretiere. Wann immer ich sie nach ihren politischen oder religiösen Standpunkten frage, wechseln sie das Thema. Stattdessen versorgen sie mich mit Berichten über ihre Kinder oder in Aarons Fall mit Neuigkeiten zur Nomenklatur und Klassifikation seiner Herbarien. Doch selbst diese Auskünfte wirken bemüht, als wären sie ein Präventivschlag, der dazu dienen soll, jede Chance auf eine echte Kommunikation zunichtezumachen.
Während meines letzten Besuchs bei meinen Eltern vor fünf Jahren kamen Caleb und sein Freund Gabe Warkentin vorbei, als ich gerade bei meiner Mutter in der Küche stand und Quarkkuchen backte. Gabe ist wie wir das Kind eines mennonitischen Pastors. Ich hörte, wie er erzählte, dass eine gemeinsame alte Freundin, Fran Thiessen, gerade geheiratet hatte. Der Bräutigam war ein Mennonit namens Rob Franz.
»Das ist Pech«, sagte Caleb. »Ihr neuer Name klingt bescheuert: ›Frau Fran Franz‹.«
Sie lachten. Aus der Küche fragte ich: »Warum hat sie Robs Namen überhaupt angenommen? Sie hatte doch gerade angefangen, sich in ihrem Beruf einen Namen zu machen, oder?«
Es entstand eine drückende Stille. Überrascht sah ich von meinem Teig auf: Meinem Bruder und Gabe hatte mein Kommentar förmlich die Nackenhaare aufgestellt.
»Du findest, eine Frau sollte ihren eigenen Namen behalten, wenn eindeutig in der Bibel steht, dass der Mann das Oberhaupt der Familie ist?«, fragte Gabe finster.
»Ach sooo«, sagte ich. »Habe verstanden.« Bis dahin hatte ich keine Ahnung gehabt, dass er so engstirnig war.
»Was soll das heißen?«, wollte Gabe verärgert wissen. Caleb saß einfach nur da und starrte in seinen Kaffee.
»Nichts«, sagte ich und versuchte, nett zu bleiben. »Frauen an der Uni nehmen heute nicht mehr so häufig den Namen ihres Mannes an, das ist alles.«
»Warum nicht?«
»Es ist eben ein bisschen altmodisch. Die Idee
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