Fix und forty: Roman (German Edition)
ich bereit gewesen war, um es Nick und seinen Neurosen recht zu machen. Weil auch ich ein ordentlicher Mensch bin, hatte ich mir eingeredet, wir wären uns einig, wir dächten gleich. Dabei war die kleinkarierte Perfektion, die er verlangte, überhaupt nicht das, was ich anstrebte. Ob es Nicks künstlerisches Auge war, das er auf alltägliche Kleinigkeiten richtete, oder ob er nur seinen Kontrollzwang auslebte, jetzt hatte ich nur noch verständnislose Verwunderung übrig für mein Bedürfnis, all seine Eigenheiten aufzufangen. Ich hatte ein ziemliches Stück Arbeit vor mir, so viel war klar.
Als meine Freunde erfuhren, dass Nick mich wegen eines Kerls von Gay.com sitzen gelassen hatte, regnete es Selbsthilfebücher. Manche boten weisen Rat. Manche versprachen starke Therapie. Manche regten zu neuen Erkenntnissen an. Und dann war da noch der Titel Kraft zum Loslassen. Dieses Buch war in tägliche Meditationen aufgeteilt und richtete sich an Menschen, die Situationen der Co-Abhängigkeit oder des Suchtverhaltens erlebt hatten, von denen sie gesunden mussten. Die Autorin legte gesteigerten Wert auf Bestätigung, und sie wollte am liebsten alle in ihr Programm der Selbstannahme und der positiven Veränderung mit einbeziehen. Ihr Wunsch, jeden mit ihrem Optimismus anzustecken, wurde in Passagen deutlich, die etwa so klangen: »Manchmal fühlen wir uns verwirrt und verletzt. Manchmal haben wir Schwierigkeiten, uns aus Beziehungen zu lösen, die uns wehtun. Manchmal sind wir es, die anderen wehtun. Manchmal sind wir es, die gehen. Manchmal werden wir verlassen. Manchmal gehen wir und fühlen uns schlecht deswegen. Manchmal gehen wir und fühlen uns wohl dabei. Und all das ist gut so!« Egal wie die Liste unserer angeblichen Fehler und selbstzerstörerischen Verhaltensweisen aussah, die Autorin gelangte immer zu einem Schluss im Geiste von »und das ist gut so!« Ich stellte mir vor, wie die Fernsehmoderatorin Barbara Walters diesen Rat mit ihrer bewegenden, lauten Stimme erteilte. Ich liebte dieses Buch und versuchte, seine vielen nützlichen Lektionen auf mein Leben anzuwenden.
Auch wenn ich kein Suchtproblem habe, bin ich unbestreitbar ein Idiot. Doch das war keine neue Erkenntnis. Die neue Erkenntnis an der Selbsthilfe-Front war die Tatsache, dass ich in Co-Abhängigkeit gelebt hatte. Über die Jahre war mir dieser Begriff zwar gelegentlich in Frauenzeitschriften oder bei Oprah Winfrey begegnet. Doch ich hatte ihn nie ernst genommen, weil er mir immer schrecklich lasch vorkam. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich ihm eine gewisse Berechtigung zugestehen musste. Die Erkenntnis, co-abhängig zu sein, überraschte mich derart, dass ich erst einmal eine ganze Packung Schokoladenkekse verdrückte und mit einem Lachsbrötchen herunterspülte. Und das war gut so! Jetzt, da ich offiziell co-abhängig war, schien klar, dass ich von so etwas wie einem Zwölf-Schritte-Programm profitieren konnte. Allerdings hatte ich nur eine vage Vorstellung davon, was ein Zwölf-Schritte-Programm umfasste.
RHODA: Hallo, ich heiße Rhoda und ich bin co-abhängig.
ALLE: Halloooo, Rhoda!!!
RHODA: Ich liebe einen Mann, der mich wegen eines Kerls, den er auf Gay.com kennengelernt hat, sitzen ließ. Ich habe fast mein ganzes Erwachsenenleben damit verschwendet, auf seine Bedürfnisse einzugehen, seine Rechnungen zu bezahlen und seinem unmenschlichen Perfektionismus gerecht zu werden.
ALLE, vereinzelter Applaus : Und das ist gut so!!
In keinem der Bücher, die mir meine Freunde gaben, konnte ich ein Zwölf-Schritte-Programm nachlesen. Doch da sich herausstellte, dass ich außerdem passiv-aggressiv bin und die Schuld gern auf andere schiebe, begnügte ich mich damit, diesen Mangel zu bemerken, darüber hinwegzusehen und mir meine eigenen zwölf Schritte zu machen.
Schritt eins: Gib zu, dass du ein Problem hast
Nick hatte offen kundgetan, dass es ihn nicht mehr interessierte, was ich sagte oder tat, und das bewies er so oft durch sein Verhalten, dass ich ihm irgendwann glauben musste, trotz meines übermenschlichen Bemühens, mir einzureden, dass er mich tief im Innern immer noch liebte und dass ich die Sache nur aussitzen musste. Bob, der Liebhaber von Gay.com, rief rund um die Uhr bei uns zu Hause an. Einmal rief er um Mitternacht an, als Nick und ich schon schliefen. Das Telefon stand auf meinem Nachttisch, und ich nahm verschlafen den Hörer ab.
»Hallo?«
»Hm, kann ich Nick sprechen?«
»Ist das Bob?«
»Ja.«
Das war’s: die
Weitere Kostenlose Bücher